Petting statt Pershing

Deutschland 2016-2018 Spielfilm

Inhalt

Die westdeutsche Provinz, 1983: Ursula ist 17 und lebt mit ihren spießigen Eltern Inge und Helmut, ihrem Großvater und ihrem kleinen Bruder Justus in einer verschlafenen Kleinstadt. Ganz allmählich machen sich aber auch dort die Ideale der 68er-Bewegung bemerkbar – so etwa in Gestalt des neuen Lehrers Siegfried Grimm. Der charismatische Pädagoge bietet Kurse zur "Selbstbefreiung" an, engagiert sich gegen Atomenergie und militärisches Wettrüsten und organisiert gewaltfreie Proteste. Mit seiner progressiven, mitreißenden Art schindet Grimm vor allem bei den Frauen des Orts mächtig Eindruck. Auch Ursula verknallt sich bis über beide Ohren in den Lehrer. Schließlich muss sie jedoch erkennen, dass Grimm weniger ein sensibler Weltverbesserer ist als vielmehr ein Frauenheld, der nur hohle Phrasen drischt. In einer Mischung aus Wut, Verletztheit und Enttäuschung sinnt sie auf Rache.

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Heinz17herne
Heinz17herne
Die Bundesrepublik im Jahr 1983. Helmut Kohl ist Kanzler und die Angst vor einem Atomkrieg geht um. Irgendwo in der südhessischen Provinz tangiert der Kalte Krieg die 17-jährige Ich-Erzählerin Ursula Mayer allerdings wenig. Sie stellt zwar neugierig-skeptische Fragen zur offenbar eingeschlafenen Ehe ihrer Eltern Inge und Helmut, nachdem sie seit Jahren abgelaufene Kondome im Nachttisch entdeckt hat. Und will auch wissen, was Opa Wilhelm, der gerade neu ins Haus eingezogene Vater ihres Vaters, im Zweiten Weltkrieg so gemacht hat. Ihr einziges richtiges Problem sind ihre üppigen Formen. Die sind nicht nur im Sportunterricht hinderlich, sondern auch bei der Akzeptanz unter Gleichaltrigen. Ausgerechnet Ralf, von allen Mädchen umschwärmter Bruder der Klassenschönheit Isabelle, soll ihr Entjungferer werden, weshalb sich Ursula von ihm in die Anglerhütte locken lässt. Doch der ist nur an einem schlechten Scherz interessiert: Ralf präsentiert der versammelten männlichen Dorfjugend ihren enorm dimensionierten BH, der als Trophäe herumgereicht wird – und schließlich auf dem Kernkraft-Modell im Schulfoyer landet.

Das Environment, dass Ursula in den Augen aller lächerlich machen soll, gefällt dem neuen Lehrer für Physik und Biologie, Siegfried Grimm. Der attraktive Linksalternative, der zusammen mit seiner Lebensgefährtin Erdmut und dem nach einem Zusammenstoß mit einem Polizei-Wasserwerfer an den Rollstuhl gefesselten Aktivisten Hans-Erich eine Wohngemeinschaft mit ökologischer Landwirtschaft gegründet hat, steht sogleich im Mittelpunkt des Interesses der weiblichen Ortsbewohner jeglichen Alters. Erdmut offeriert nicht nur Öko-Koch- und -Backarbeitsgemeinschaften, sondern auch „Muschi-Kurse“ zur vaginalen Selbstuntersuchung und Stimulation, während Siegfried Trainings veranstaltet für gewaltfreie Demonstrationen gegen die geplante Stationierung von amerikanischen Pershing-Raketen in Mutlangen. Sein Flugblatt-Motto „Petting statt Pershing“ wörtlich nehmend, wird der die freie Liebe predigende Lehrer zur Projektionsfläche auch für Ursula, die von ihm als bisher einzigem dazu ermutigt worden ist, zu sich selbst zu stehen und ihre Haltung ohne Rücksicht auf Familie oder gesellschaftliche Konvention zu leben. An ihren Eltern sieht sie die Brüchigkeit herkömmlicher Strukturen: Während Vater Helmut sich als Arzt verwirklicht, hat Mutter Inge ihr Kunststudium abgebrochen nach Ursulas Geburt und sich ganz in den Dienst der inzwischen vierköpfigen Familie gestellt. Kein Modell also für Ursula, die davon träumt, mit Siegfried Grimm nackt im Bett zu liegen wie John Lennon und Yoko Ono. Eher selten im WG-Bett, dafür auf hartem Schulklassenboden, auf Turnmatten in der Sporthalle oder romantisch im Heu des Ökohofes treibt es Ursulas narzisstisches Objekt der Begierde – mit ihrer eigenen Mutter Inge wie mit der Sportlehrerin Karin Teichert. Was irgendwann weder Erdmut noch Ursula verborgen bleibt. Letztere fühlt sich verraten – und beschließt sich zu rächen...

Petra Lüschows Spielfilmdebüt „Petting statt Pershing“, das am 25. Oktober 2018 bei den Hofer Filmtagen uraufgeführt wurde, sollte bereits ein Jahr zuvor unter dem Titel „Es ist aus, Helmut“ in die Kinos kommen. Die knapp hundertminütige Gesellschaftskomödie ist mit der Leinwand-Newcomerin Anna Hornstein großartig besetzt: Bisher nur in TV-Serien wie „Schloss Einstein“ und „Der Lehrer“ unter ihrem früheren Namen Anna Florkowski zu sehen, spielt sie an der Spitze eines erlesenen Ensembles eine junge Frau, die eigentlich klug und stark ist, aber unter ihren üppigen Körpermaßen leidet. Eigentlich will sie nur dazugehören, am Ende, das darf verraten werden, ist Ursula die Einzige, die die Kurve kriegt und ihrer Sehnsucht nach Ausbruch aus der kleinbürgerlichen Welt nachgibt. Petra Lüschow, die das Drehbuch zum auf der Berlinale 2006 herausgekommenen Drama „Nachbeben“ schrieb, aber auch zur Romanadaption „Tannöd“ und zu mehreren „Tatort“-Folgen, reüssierte mit ihrem Kurzfilm „Der kleine Nazi“, welcher zahlreiche internationale Preise gewann.

Mit „Petting statt Pershing“, am 5. März 2021 als Free-TV-Premiere auf Arte zu sehen, ist ihr ein detailreiches Zeitporträt der frühen Kohl-Jahre wie der Spät-1968er geglückt, auch wenn vieles lustvoll-ironisch übertrieben erscheint. Wie die von Christine Schorn verkörperte Mutter der Sportlehrerin, Erna Teichert, die scheinbar selbstlos ein Kriegerdenkmal außerhalb des Dorfes pflegt, in Wahrheit aber auf die alten Kameraden schimpft und sich an einer im Marmor versteckten Schnapsflasche gütlich hält. Petra Lüschow im Presseheft: „Ich war in den 80ern Jugendliche, und meine Beobachtungen haben mich inspiriert. Ich war sehr in der Anti-Atomkraft- und Friedensbewegung und vielen Gruppen engagiert, u.a. habe ich Artikel gegen Neonazis und über Umweltschutz verfasst. Das andere war, dass ich in den Politgruppen oft die Jüngste war. So kam ich nicht selten in die Rolle der Beobachterin und erlebte, wie diese Gruppen funktionierten, die Spielchen, die amourösen Verflechtungen. Mich hat schon als Jugendliche beschäftigt, wie viele ihre Widersprüche so verwischen, dass sie die Ideale überhöhen, aber vergessen, wer sie wirklich sind, woher sie kommen, was sie vielleicht geformt hat. ‚Petting statt Pershing‘ ist ein Film über das Politische im Privaten, über die Widersprüche einer Gesellschaft, die in den 80ern noch sehr piefig war, vor allem was das Frauenbild anging.“

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Drehbuch

Kostüme

Casting

Darsteller

Co-Produzent

Herstellungsleitung

Produktionsleitung

Dreharbeiten

    • 10.10.2016 - 11.12.2016: Hessen
Länge:
97 min
Format:
DCP 2K
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 22.11.2018, 179674, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 25.10.2018, Hof, Hofer Filmtage;
Kinostart (DE): 05.09.2019

Titel

  • Arbeitstitel (DE) Es ist aus, Helmut
  • Originaltitel (DE) Petting statt Pershing
  • Weiterer Titel Ursula Mayer gegen den Rest der Welt
  • Weiterer Titel That's It, Helmut
  • Weiterer Titel (US) Good Girl Gone Bad

Fassungen

Original

Länge:
97 min
Format:
DCP 2K
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 22.11.2018, 179674, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 25.10.2018, Hof, Hofer Filmtage;
Kinostart (DE): 05.09.2019