Sperling und der brennende Arm

Deutschland 1997/1998 TV-Spielfilm

Mit Menschen


Barbara Sichtermann, Die Zeit, Hamburg, 29.10.1998

In den vierziger Jahren produzierte man in Hollywood die sogenannte schwarze Serie, Polizeifilme mit Humphrey Bogart und Edward G. Robinson, die ihren Ruhm einer irritierenden und doch wahren Botschaft verdankt: Polizisten und Verbrechen und darüber hinaus Bürgerkosmos und Kriminellenchaos: das ist eine Welt, Gut und Böse sitzen im selben Boot und spielen ein Spiel, dessen Regeln sie gemeinsam festlegen und einhalten oder auch nicht. Der Schock dieser Erkenntnis wurde ästhetisch abgepuffert, aber der Mut, ihn auszulösen, unterscheidet bis heute den Krimi mit Anspruch von der Routine.

Dominik Graf ist der deutsche Schwarze-Serien-Meister unserer Zeit; seine Bullen verzweifeln am Bösen, weil sie wissen, daß es überall ist, auch in ihnen selbst. Was aber nun Grafs Werk von dem kalten Krimi-Zynismus à la "Schattenmann" wieder unterscheidet, ist sein leises und unbeirrbares Bestehen darauf, daß es auch das Gute gibt. Und daß das Gute mehr ist als nur der helle Hintergrund, vor dem die dunklen Machenschaften des Bösen sich bestechend abheben.

In Dieter Pfaff als Berliner Kommissar Sperling hat Graf seinen idealen Protagonisten gefunden. Dieser altgediente, behäbige und schlaue Bulle kennt die Welt – er hätte keinen Grund, auf das Gute zu bauen. Und dennoch tut er es. Er sagt es niemand, nur seinem Publikum, das er von der ersten Einstellung bis zum Abspann fest an der Hand hält. Denn er weiß: "Wir ham"s doch mit Menschen zu tun."

In der neuen Folge: "Sperling und der brennende Arm" entfaltet Graf aufs Wunderbarste seine induktive Kunst des filmischen Erzählens: in eine aus kleinen, privaten Perspektiven gewonnene geschirrklappernde, liedchensingende Kieznormalität bricht plötzlich das Verbrechen ein. Sperling schleicht sich "induktiv" ein in den Fall – und wenn er erst mal weiß, was er zu tun hat, kämpft er wie ein Büffel, erst um seine Zuständigkeit und um ein paar Mann Unterstützung, dann um den Sieg des Guten. Und das Publikum erlebt seine kindlichste Freude: daß hier ein Held mit ganz schlechten Karten, einsam und viel zu alt und dick; für den Job, imstande ist, das Blatt zu wenden.

Und dennoch ist dieser Fall nicht naiv. Er bleibt in der Tradition der schwarzen Serie, ihres trickreichen Spiels mit Gut und Böse. Gegen Ende trifft sich Sperling, der nicht mehr weiterweiß, mit einem halbretirierten Großganoven und fragt ihn aus. Der Gute gesteht, daß er den Bösen braucht. Und der sagt grinsend: "Hart ist hart und weich ist weich, aber immer weich ist auch hart, wenn du verstehst, wat ick meine."

© Barbara Sichtermann

Rechtsstatus