Das Mädchen aus dem Fahrstuhl

DDR 1989-1991 Spielfilm

Inhalt

Frank, mathematisch begabt, FDJ-Sekretär der Schule und Sohn eines Betriebsdirektors, beginnt sich in der 10. Klasse für die Neue, Regine, zu interessieren. Er begegnet ihr mehrfach im Fahrstuhl des Hochhauses auf der Berliner Fischerinsel, wo auch seine Familie wohnt. Als sie, leistungsschwächste Schülerin, mehrere Tage fehlt, will er sich um sie kümmern und entdeckt, dass sie ihre Geschwister betreut. Ihre Mutter liegt im Krankenhaus, die vier verschiedenen Väter haben sich davongemacht. Er unterstützt sie und setzt sich für sie ein. Als sie Kindergärtnerin werden möchte, fordert er ein öffentliches Gespräch über Leistung und Eignung heraus. Dabei stößt er auf den energischen Widerstand der Direktorin und wird aus der FDJ ausgeschlossen was ihm Abitur und Studium unmöglich macht. Seine einflussreichen Eltern verschaffen ihm einen Platz in einer Spezialklasse an der Technischen Universität Dresden. Nach anfänglichem Zögern nimmt Frank an, wodurch er Regine, seine Freunde und Ideale verrät.

 

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Defafilme
Das Mädchen aus dem Fahrstuhl
Ein sehr schöner Defa-Film. Gerade wenn man in dieser Zeit (DDR) aufgewachsen ist, und auch so alt war wie die Darsteller des Films. Diesen Film hab ich mir sehr gerne auf DVD gekauft. ???
Heinz17herne
Heinz17herne
Berlin 1988. Im Fahrstuhl des Hochhauses Fischerinsel 10 in Berlin-Mitte fällt einem Jungen mit modernen Kopfhörern ein offenbar neu hinzugezogenes Mädchen auf. Frank folgt ihr quer durch den Fischerkiez – zur 15. Oberschule. Nach dem obligatorischen Appell mit der Direktorin auf dem Schulhof, bei dem die drei Fahnen der DDR, der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und der Jungen Pioniere (JP) an Masten hochgezogen werden, stellt seine Klassenlehrerin die aus der Lichtenberger Peripherie ins Zentrum der Hauptstadt gewechselte Regine den Zehntklässlern vor.

Frank gehört zu den Besten der Klasse, gilt als Mathe-Genie ist als FDJ-Sekretär schon für die Erweiterte Oberschule (EOS) delegiert, Voraussetzung für ein späteres Studium. Seine Eltern sind beruflich stark eingebunden, sodass er oft allein zu Hause ist: Vater Jürgen geht als Betriebsdirektor mit SED-Parteiabzeichen am Revers im Ministerium ein und aus, Mutter Ingrid ist gerade ‘mal wieder auf dem Sprung zu einer Leitungssitzung, diesmal nach Suhl.

Als Frank und Regine sich ein zweites Mal im Fahrstuhl begegnen, bleibt dieser zwischen zwei Stockwerken stecken. Regine hat ihre drei jüngeren Geschwister Klaus, Jörn und Gabi im Schlepptau und erzählt ihnen zur Beruhigung eine gerade erfundene Geschichte, bis die Havarie behoben ist. Was Frank mächtig imponiert, der sich einige Zeit später gegenüber der Klassenlehrerin verpflichtet, sich um den seit drei Tagen unentschuldigt fehlenden Neuzugang zu kümmern.

Auf dem Weg zu Regine wird Frank von zwei Klassenkameraden, Tauber und Schulz, auf dem Spielplatz im Fischerkiez zusammengeschlagen. Die beiden lesen lieber das „Sportecho“ als sich an der FDJ-Diskussion, wie schwachen Schülern geholfen werden kann, zu beteiligen. Regine muss ihn erst einmal verarzten, um ihm dann zu beichten, dass es sich beim Betrunkenen im Hausflur um ihren aktuellen „Vater“ handelt, der im Suff nicht davor zurückschreckt, handgreiflich zu werden. Weil ihre ebenfalls alkoholabhängige Mutter seit geraumer Zeit im Krankenhaus liegt, muss sie sich um die Familie kümmern einschließlich der kleinen Schwester Gabi, die mit 40 Grad Fieber im Bett liegt.

Auf die Frage des erstaunten Bürgersohns, der hier im gleichen Plattenbau-Komplex eine ihm bisher unbekannte Welt entdeckt, warum sie sich nicht Hilfe hole, antwortet Regine einleuchtend, dass sie Angst vor einer erneuten Heimeinweisung habe. Zur großen Enttäuschung seiner Klassenkameradin Sibylle kümmert sich Frank nun intensiv um Regine, beide jobben nebenbei am Karton-Band im VEB Verpackungsmittelwerk Berlin. Und wollen am Wochenende in der höchst komfortablen Datsche seiner in Prag weilenden Eltern erstmals miteinander schlafen. „Alles da, ob mans braucht oder nicht“ stellt Regine fest, die ihre beiden jüngsten Geschwister mitnehmen musste.

Die aber kein Hinderungsgrund für das erste richtige Beisammensein sind, sondern die vorzeitige Rückkehr seiner Eltern. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, sehr feinfühlig von Dieter Chill in Orwocolor auf Zelluloid festgehalten. Regine bekommt aufgrund nicht ausreichender Schulnoten keine Lehrstelle als Kindergärtnerin, was Frank zu einem Wandzeitungs-Beitrag animiert: „‘Alle meine Entlein‘ sind im Kindergarten gefragt, nicht die Relativitätstheorie“. Die Direktorin entfernt das Blatt und ist noch mehr erbost über die Dreistigkeit des FDJ-Sekretärs, beim Fahnenapell zu Ehren Ernst Thälmanns aus der FDJ-Zeitung „Junge Welt“ zu zitieren. Frank wird aus der FDJ ausgeschlossen, Sibylle gehört zu den lautesten Befürwortern. Und die Direktorin zieht seine Delegierung zur EOS zurück – gegen den Widerspruch der empathischen Klassenlehrerin und ihres Mathematik-Kollegen Becker.

Der rät Franks Vater, seinen Sohn auf eine Spezialschule für Hochbegabte zu schicken, was dank guter Beziehzungen zu einem Professor an der Technischen Universität Dresden gelingt. „So ‘ne Chance, die krieg‘ ich nie wieder“ zeigt sich Frank vom Computereinsatz im Unterricht begeistert. Und Regine? Hat eine Anstellung als Kindergartenhelferin angenommen und jobbt zunächst in der Küche…

Das Drehbuch hat Gabriele Herzog bereits 1978 geschrieben. Weil es die Defa nicht verfilmen wollte, brachte sie es 1985 als Roman heraus, den sie dann vier Jahre später für den ausgewiesenen Kinder- und Jugendfilm-Regisseur Herrmann Zschoche adaptierte. Die Dreharbeiten begannen im Dezember 1989 in Berlin und Dresden, konnten aufgrund fehlender Genehmigungen aber erst nach dem Fall der Berliner Mauer beendet werden. Zum Cast dieses zu DDR-Zeiten sicherlich spektakulären Coming-of-Age-Dramas gehörten zahlreiche Laien. So war die Darstellerin der weiblichen Hauptrolle, Barbara Sommer, noch Oberschülerin in Berlin-Marzahn. Nach dem Abitur studierte sie Kultur- und Theaterwissenschaften und später Medizin und lebt heute als Ärztin an der Medizinischen Universität in Wien.

Der titelgebende Fahrstuhl des im Berliner Clubkino „Felix“ des Progress-Filmverleihs uraufgeführten Films, der es nach der Wende schwer hatte, überhaupt in ein „normales“ Kino zu kommen, ist eine Metapher für die Verbindung zweier unterschiedlicher sozialer Milieus, die zwei Welten unter einem Dach sowohl des Hauses als auch des sozialistischen Staates gleichen. Bei der 41. Berlinale 1991, der ersten nach dem Mauerfall, lief der Film in der Reihe „Neuer Deutscher Film“ Mitte Februar auch im „International“. Bei der 69. Berlinale wurde er 2019 noch einmal in der „Special“-Reihe gezeigt.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Szenarium

Dramaturgie

Kamera

Kamera-Assistenz

Bau-Ausführung

Requisite

Kostüme

Mischung

Produktionsleitung

Länge:
2617 m, 96 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Prüfung/Zensur:

Zensur (DD): 03.07.1990

Aufführung:

Uraufführung (DE): 10.01.1991, Berlin, Filmtheater "Felix"

Titel

  • Originaltitel (DD) Das Mädchen aus dem Fahrstuhl

Fassungen

Original

Länge:
2617 m, 96 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Prüfung/Zensur:

Zensur (DD): 03.07.1990

Aufführung:

Uraufführung (DE): 10.01.1991, Berlin, Filmtheater "Felix"

Formatfassung

Länge:
95 min
Format:
DCP 2k
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DE): 10.02.2019, Berlin, IFF - Berlinale Special