Dein unbekannter Bruder

DDR 1982 Spielfilm

Inhalt

Nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager kämpft der Filmvorführer Arnold Clasen 1935 weiter in der Hamburger Widerstandsbewegung. Sein neuer Verbindungsmann heißt Walter. Er bewundert ihn wegen seiner Selbstsicherheit und seiner Fähigkeit, unerschrocken seine illegale Arbeit zu leisten, Plakate zu kleben, Flugblätter zu erteilen. Gerade Walters Waghalsigkeit lassen auch Zweifel aufkommen, ob man ihm trauen kann. Dies macht die illegale Arbeit zu einem zermürbenden Kraftakt. Der Verdacht bestätigt sich. Arnold wird sein Opfer.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Hamburg 1935. Der Antifaschist Arnold Clasen ist aus der KZ-Haft entlassen worden und hat sich erneut einer im Untergrund tätigen kommunistischen Widerstandsgruppe angeschlossen - im Bewusstsein, ständig von der Gestapo überwacht zu werden. Er hat eine Arbeit als Filmvorführer in den Orion-Lichtspielen gefunden. Seine durchaus verständnisvolle Chefin Heidemarie Fritsche, eine ziemlich naive Anhängerin der Nationalsozialisten, ist durchaus bereit, mehr für ihn zu sein als nur die Arbeitgeberin. Dazu müsste er freilich mehr „innere Begeisterung“ zeigen, seinen bisherigen politischen Überzeugungen abschwören und sich der „Bewegung“ anschließen. Wogegen auch nach seinem Lageraufenthalt nichts spräche: „Du bist nicht artfremd, Du bist reinrassig“ attestiert Heidemarie ihrem Angestellten nach der Schädelmessung mit einem monströsen Gerät.

Eine Auffassung, die übrigens auch Richard Deisen teilt, Arnolds langjähriger Freund und Inhaber eines kleinen Tabakwarengeschäftes. Auch dieser Parteigenosse mit dem unübersehbaren Hakenkreuz am Revers und dem Herz am rechten Fleck ist im Grunde ein gutmütiger und nur fehlgeleiteter Charakter, der Arnold sogar einen Blockwart-Posten anbietet, nur um ihn für die richtige Seite zu gewinnen, als dieser zu den Klängen „Üb’ immer Treu und Redlichkeit“ über Richards Büchern sitzt. Und erkennen muss, dass nun auch der kleinbürgerliche Mittelstand, welcher einst die Grundlage zum Erfolg der „Bewegung“ legte, hemmungslos ausgebeutet wird – etwa durch die rasche Rückzahlung einst großzügig gewährter Darlehen.

Durch seine Arbeitszeit, die vom Nachmittag bis häufig in die späten Abendstunden reicht, in denen er die aktuellen Ufa-Schmachtfetzen vorführt, kann sich Arnold nur selten mit seiner Freundin Renate Stammberger treffen. Sie ist Kind aus gutbürgerlich-wohlhabender Akademikerfamilie und verkörpert das genaue Gegenteil eines klassenbewusst-kämpferischen Arbeiters, sondern hängt wie ihr Vater Dr. Helmut Stammberger eher sozialromantischen Utopien an. Dennoch hat sich Renate einst den Kommunisten angeschlossen und bleibt auch in aussichtsloser, lebensgefährlicher Lage dabei, was sie ihren Eltern vorsichtshalber verschweigt.

Bei dem Betriebsbesuch eines NS-Staatsrates lassen sich einige Genossen dazu verführen, kritische Fragen zu stellen, als die Arbeiter aufgefordert werden, frei ihre Meinung zu äußern. Das wird Folgen haben, zumal sich die Kommunisten zu Flugblatt- und anderen spontanen Aktionen wie das Hissen der Roten Fahne am Fabrikschornstein hinreißen lassen, die letztlich die auch im Proletariat tief verankerte Nazi-Ideologie von einem Reich, einem Volk und einem Führer nicht ins Wanken bringen können. Karl muss mit der geballten Faust in der Hosentasche zusehen, wie kurze Zeit später mehrere Aktivisten verhaftet werden.

Arnold zweifelt am Erfolg seiner, besser: irgendwelcher Mission und fühlt sich immer stärker isoliert, weshalb er die Freundschaft und das Vertrauen seines neuen Kontaktmannes Walter Keppler sucht. Doch ausgerechnet er scheint verstrickt zu sein in eine regelrechte Verhaftungswelle, der immer mehr Angehörige der nunmehr verbotenen KPD zum Opfer fallen. Weshalb Arnold den Leiter der Hamburger KPD im Untergrund, seinen alten Freund Stefan aufsucht. Dieser versichert ihm, Walter sei ein erfahrener, langjähriger Genosse – und „sauber“. Was Folgen hat, denn Arnold wird auf offener Straße verhaftet. Ein sich so nett gebender Kommissar, hinter dem freilich ein unerbittlicher Gestapo-Chef (Arno Wyzniewski) steht, bietet ihm an, ihn vor dem KZ zu bewahren, wenn er seine KP-Genossen verrät. Parallel steht Keppler vor dem Parteigericht, dem auch Stefan und Renate angehören...

Mit „Dein unbekannter Bruder“ hat Ulrich Weiß zwar den gleichnamigen Roman von Willi Bredel verfilmt, dabei aber doch eigene Akzente gesetzt, die von der Vorlage abweichen. Zu denen gehört vor allem, dass der Verräter kein von den Nazis eingeschleuster Spitzel ist, sondern aus den eigenen KPD-Reihen kommt. Und das offene Ende, der starke Abgang von Gröllmann & Co, der freilich so nicht vorgesehen war: Erst eine Intervention aus der Kultur-Abteilung des Zentralkomitees der SED verhinderte die ursprünglich vorgesehene Hinrichtung Walter Kepplers. Ulrich Weiß zeigt, dass auch Täter von Angst und Gewissenskonflikten geplagt werden, schlicht: menschliche Seiten haben. Was dem Film nicht gut bekommen ist: Nach einem überaus erfolgreichen Start beim Max Ophüls-Festival in Saarbrücken wurde ihm die Ehre einer Einladung zum Festival nach Cannes zuteil. Die Babelsberger bastelten bereits an einer Untertitelung in englischer Sprache, als das Verdikt des SED-Politbüromitglieds Hermann Axen, selbst aktiver Widerstandskämpfer, alle Reisepläne zerstörte: „So waren wir nicht.“

Das freilich hatte Ulrich Weiß auch gar nicht behauptet, der ganz im Gegenteil die im Roman geschilderten Vorgänge aus der Sicht eines mit der Gnade der späten Geburt gesegneten Filmemachers erzählt und dabei bestrebt ist, „...den inneren Zustand eines Menschen in jener Zeit für heute Lebende zu übersetzen. Es ist der Versuch einer Vermittlung. Wir geben weiter, was wir nicht selbst erlebt haben.“ Die Filme von Ulrich Weiß passten weder ästhetisch noch inhaltlich ins politisch-ideologische Konzept der DDR- und Defa-Verantwortlichen. Ein antifaschistischer Film, der einen, heute mit dem Abstand von dreißig Jahren noch deutlicher hervortretenden gegenwärtigen Blick auf die DDR der 1980er Jahre richtet, bedeuteten eine große Herausforderung für Publikum und Kritik gleichermaßen.

Dramaturgisch geschickt hat Ulrich Weiß dokumentarisches Wochenschau-Material und kurze Szenen aus Ufa-Streifen eingebaut – sozusagen mit den Augen seines Protagonisten, des Filmvorführers Arnold Clasen. Und dennoch ist „Dein unbekannter Bruder“ alles andere als ein Historienfilm über den kommunistischen Widerstand in Hamburg. Sondern vielmehr eine Lehrstunde über menschenfeindliche Ideologien und Doktrin. Er durfte auf dem 2. Nationalen Spielfilmfestival der DDR in Karl-Marx-Stadt 1982 nicht als bester Film ausgezeichnet werden, erhielt aber immerhin eine „Anerkennung“ in den extra eingeführten Kategorien Regie, Kamera und Szenografie.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie

Regie-Assistenz

Drehbuch

Szenarium

Dramaturgie

Kamera

Bauten

Bau-Ausführung

Requisite

Kostüme

Schnitt

Mischung

Produktionsleitung

Länge:
2946 m, 108 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 13.05.1982, Berlin, Colosseum

Titel

  • Originaltitel (DD) Dein unbekannter Bruder

Fassungen

Original

Länge:
2946 m, 108 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 13.05.1982, Berlin, Colosseum

Digitalisierte Fassung

Länge:
108 min
Format:
DCP 2k, 1:1,66
Bild/Ton:
Farbe, Mono