Louis Brody in Babelsberg
Nicht wenige Schwarze deutsche Schauspieler arbeiteten in der Filmproduktion der Weimarer Republik. Als koloniale Migranten wurden die meisten von ihnen jedoch von der zeitgenössischen Kinoöffentlichkeit kaum wahrgenommen und blieben lange Zeit von der Filmgeschichtsschreibung unbeachtet. Heute sind sie – insbesondere dank der Forschungen von Tobias Nagl, auf dessen Arbeiten sich die folgenden Anmerkungen stützen – wieder Bestandteil des filmhistorischen Diskurses.
In den Augen von Produzenten und Regisseuren waren afrodeutsche Schauspieler austauschbar als Repräsentanten "natürlicher Exotik". Der aus Kamerun stammende Louis (auch Lewis oder Lovis) Brody nahm hier eine Sonderstellung ein: Seine schauspielerischen Leistungen wurden in der Weimarer und später auch in der NS-Filmpresse diskutiert, sein Name gelegentlich sogar im Vorspann und in Presseheften genannt. Nur sehr wenige andere nicht-weiße Schauspieler erreichten eine ähnliche Bekanntheit – so etwa Henry Sze, Nien Sön Ling oder Madge Jackson.
Unter seinem amerikanisch klingenden Künstlernamen Louis Brody arbeitete der als (Ludwig) M'bebe Mpessa geborene Schauspieler schon 1915 beim Dreh seines ersten Films "Das Gesetz der Mine". Bis zu seinem Tod im Jahr 1951 wirkte er in über 50 Filmen mit, die zu einem großen Teil auf dem Gelände der heutigen Babelsberger Studios realisiert wurden.
Quelle: Tobias Nagl |
Autogrammkarte von Louis Brody, hergestellt im Studio der Avantgarde-Fotografin Yva |
Exotismus und Erotisierung in Weimar
Sowohl in populären Publikumsfilmen als auch in expressionistischen Klassikern der Weimarer Zeit kam Brody von Anfang an die Rolle des grausamen, Schwarzen Henkers zu. Schon in Joe Mays "Das Gesetz der Mine" spielt er, so schreibt "Der Kinematograph" 1915, einen "riesenhaften" rassistisch stereotypisierten Schwarzen, der im Namen der Blutrache eine der Hauptpersonen tötet. Auch in Robert Wienes Film "Genuine" (1920), produziert in Babelsberg von der Decla-Bioscop AG, taucht er als die "schwarze Gefahr" auf, die "domestiziert" werden muss.
Nach einem Drehbuch von Carl Meyer erzählt "Genuine" in expressionistischen Kulissen die Geschichte des jungen Mädchens Genuine (Fern Andra), die – einst von einer geheimnisvollen, orientalischen Sekte zur Priesterin ernannt – gezwungen wird, Blut zu trinken. Von Sklavenhändlern geraubt, wird sie später auf einem persischen Markt von Lord Melo, einem reichen Sonderling, gekauft und mit nach Europa genommen. Dort ernährt dieser sie weiterhin mit Blut und lässt sie von seinem durch Louis Brody verkörperten Schwarzen Diener bewachen. Als sich der blonde Barbierlehrling Florian in sie verliebt, verlangt sie nach seinem Blut und fordert deshalb seinen Tod. Wie der "Film-Kurier" im Jahr 1920 schreibt, gehorcht der Diener, "trägt aber ein weißes Herz in seinem schwarzen Busen, stößt Florian in die Freiheit [...] öffnet sich selbst eine Ader und reicht sein Blut Genuine [...] Ihr Rausch aber ist verflogen, sie schleudert entsetzt den Becher von sich." Schließlich gelingt es der aufgebrachten Dorfbevölkerung in das Haus einzudringen und den schwarzen Diener mit ihren Sensen zu töten. Aber auch Genuine, die an der Seite eines neuen Liebhabers die Eifersucht des inzwischen geistig verwirrten Florians entfacht, bleibt nicht am Leben: Der junge Barbier tötet sie im Wahn.
"Genuine" ist sicherlich einer der bedeutendsten Filme Brodys. Denn in der wichtigen Nebenrolle, die ihm hier zukommt, spiegelt sich, wie Nagl dargestellt hat, das Spektrum rassifizierender Zuschreibungen des frühen Weimarer Kinos: Brody wird zugleich sexualisiert und dämonisiert, die Begegnung der weißen Genuine mit dem "riesigen" Schwarzen Mann löste sowohl sensationalistische Erregung als auch bedrohlichen Schauder aus. Auch der Topos der "schwarzen Gefahr", die gebändigt werden muss (in dem Sinne spricht der Film-Kurier vom "weißen Herz in seinem schwarzen Busen") und die Metaphorik des Bluts, das nicht vermischt werden soll (entsprechend schleudert Genuine "entsetzt den Becher von sich") sind charakteristisch für die Vorstellungswelt des zeitgenössischen Films und ihn umgebende Gesellschaftsordnungen.
Auch in Fritz Langs ebenfalls von der Decla-Bioscop AG produziertem Film "Der müde Tod" (1921) wird eine solche Verknüpfung von "Rasse" und Gefahr, so Nagl, nahegelegt. Brodys Hautfarbe, der hier einen Mörder spielt, wird durch einen filmischen Trick mit dem Tod assoziiert: Nach Brodys Mordtat lässt Lang seine Figur langsam in den von Bernhard Goetzke dargestellten Sensemann überblenden.
Quelle: SDK |
"Der müde Tod": Louis Brody, Eduard von Winterstein, Lil Dagover (v.l.n.r.) |
Das Andere
Oft wurde im frühen Weimarer Kino kaum zwischen verschiedenen Formen "des Anderen" unterschieden: Schwarze dienten nicht selten dazu, eine orientalisch-diffuse Atmosphäre zu schaffen. Louis Brody wurde in seinen Rollen in "Genuine" und dem im Auftrag der Ufa produzierten Film "Die Perle des Orients" (1921) von der zeitgenössischen Kritik mal als "Malaye", mal als "Indier" beschrieben, und in Joe Mays "Die Freundin des gelben Mannes" (1919/20) spielt er sogar den "Chinesen". Brody reagierte, wie Nagl recherchiert hat, auf diese eurozentrischen Exotismus-Phantasien, die ihm Arbeit gaben: In einer 1922 in "Der Film" selbst geschalteten Anzeige bewarb er sich als "Vertreter aller exotischen Sprechrollen auf der Sprechbühne und im Film".
Innerhalb der Schwarzen Gemeinschaft Berlins nahm Louis Brody eine führende Rolle ein und war immer wieder an Versuchen beteiligt, diese deutschlandweit politisch zu organisieren. 1918 gründete Brody zusammen mit 31 anderen Kolonialmigranten den "Afrikanischen Hilfsverein", der zwar laut Präambel keine politischen Ziele verfolgte, aber doch eine Reaktion auf die gemeinsame Erfahrung von Rassismus in der Diaspora zeigt.
Nur äußerst selten agierten im Weimarer Kino Schwarze Schauspieler auf Augenhöhe mit ihren weißen Kontrahenten. Auf einen besonderen Fall der frühen 1930er Jahre hat Tobias Nagl aufmerksam gemacht: Kurt Gerrons Ufa-Produktion "Der weiße Dämon" (1932). Nagl beschreibt: "In der Rolle eines Pagen in einem Pariser Hotel, der in verschiedenen Sprachen, u.a. in einem 'afrikanisch' konnotierten Kino-Kauderwelsch, angesprochen wird, entgegnet Louis Brody darin einem verdutzten Hans Albers: 'Ich bin en gebürtiger Hamburger!' Albers antwortet darauf: 'Menschenskind, Hummelhummel! Du bist mein Landsmann, warum hast du das nicht gleich gesagt!' Nonchalant beendet Brody das Gespräch: 'Tja, ich wusste doch nicht, was is' der Schnack. Französisch und Englisch und dann kam am Schluss was, das war so unverständlich!'"
Damit wird "Der weiße Dämon" zu jenem Sonderfall der deutschen Filmgeschichte, in dem einem Schwarzen Deutschen für einen Moment eine sprachlich gleichberechtigte wenn nicht sogar überlegene Position gewährt wird. Nagl sieht in ihm den "vielleicht ersten und einzigen Film, der im nicht-kolonialrevisionistischen Sinne die Existenz schwarzer Deutscher anerkannte."
Quelle: DIF |
"Ohm Krüger": Louis Brody, Emil Jannings (v.l.n.r.) |
Stereotypisierung: Louis Brody im NS-Kino
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten hatte für Brodys Rollenangebote zunächst keine weitreichenden Folgen. Trotz der staatlich verordneten Verdrängung Schwarzer Deutscher aus ihren Berufen drehte Brody zwischen 1933 und 1945 mindestens 23 Filme.
Die Ambivalenz, die im Weimarer Kino dem männlichen Schwarzen Körper zukam, ist gleichwohl im NS-Kino nicht mehr zu entdecken. Brody wurde in seinen Rollen der späten 1930er und -40er Jahre weniger erotisiert oder dämonisiert, sondern spielte vor allem stereotype und domestizierte "Eingeborene", die keinerlei Bedrohung gegenüber der weißen Kultur darstellen sollten. So beispielsweise im NS-Kolonialfilm "Ohm Krüger" (Tobis-Filmkunst GmbH Berlin, Produzent Emil Jannings, 1941). Brody verkörpert hier den biegsamen, nahezu kindischen Häuptling Lobenguela, der sich von Paul (Ohm) Krügers (Emil Jannings) gleichsam "natürlicher" Autorität von einer auf die andere Sekunde einschüchtern lässt.
Jannings ist hier, anders als der Sonderling Lord Melo oder der Barbierlehrling Florian bei "Genuine", eine machtvolle Instanz – der weiße Vater, der mit Brody dann auch wie mit einem ungezogenen Kind spricht. Hier inszenierte das NS-Kino beispielhaft eine vor allem sprachliche Überlegenheit, die eine eindeutige Überlegenheit des weißen Partriarchen gegenüber dem naiven "Wilden" audiovisuell übersetzt.
In dem antisemitischen Propagandafilm "Jud Süss" (1940) hat Brody eine oft übersehene Funktion, auf die Nagl ebenfalls hinweist: Sein Schwarzsein steht hier für "gute", das heißt "lesbare" rassische Differenz und bildet damit einen Kontrast zu dem in diesem Sinne schwerer identifizierbaren jüdischen Körper Oppenheimers, der Titelfigur, der sich eben dieser Lesbarkeit entzieht.
Bis zum Kriegsende wurde Louis Brody beschäftigt. Auch nach dem Krieg arbeitete er weiter als Schauspieler, spielte sowohl in der westdeutschen Produktion "Nächte am Nil" (1949) als auch in der DEFA-Produktion "Die letzte Heuer" (1951). Gleichzeitig verdiente er sein Geld als Zirkus-Artist und Jazz-Musiker.
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Literaturtip zur Thematik: Nagl, Tobias: Die unheimliche Maschine. Rasse und Repräsentation im Weimarer Kino, München, 2009