Ella Bergmann-Michel
1895 in Paderborn geboren, nimmt Ella Bergmann 1915 in Weimar an der Hochschule für bildende Kunst das Studium auf. In einem Zeichenkurs lernt sie ihren späteren Ehemann und beruflichen Wegbegleiter Robert Michel kennen. Ab 1918/19 arbeiten beide als freischaffende Künstler in eigenen Ateliers, nachdem sie gegen die in ihren Augen verstaubten Lehrmethoden rebelliert haben. Der Architekt Walter Gropius stellt Collagen des Paares während der Eröffnung des Weimarer Bauhauses 1919 aus. Noch im gleichen Jahr heiratet Ella Bergmann Robert Michel und führt ab diesem Zeitpunkt den Doppelnamen Bergmann-Michel. 1920 wird Sohn Hans, sieben Jahre später Tochter Ella geboren.
1920 verlassen sie Weimar, der Lehrbetrieb am Bauhaus ist ihnen zu akademisch und von dogmatischen Richtungskämpfen bestimmt. Sie gehen in den Taunus, wo Robert Michel zwischen Eppstein und Vockenhausen eine Farbenmühle geerbt hat, die "Schmelz", die er später "Heimatmuseum of Modern Art" nennt. Die "Schmelz" wird zur kreativen Heimat der beiden, und bald schon regelmäßiger Treffpunkt eines Künstlerkreises, dem u.a. Willi Baumeister, László Moholy-Nagy, Kurt Schwitters, später auch Joris Ivens, Asja Lacis und Dziga Vertov angehören.
Ella Bergmann-Michel wendet sich nach dem Umzug ins Hessische der Fotografie zu. Das Experimentieren mit Licht- und Schattenwirkungen, ungewohnten Perspektiven und Bildausschnitten kennzeichnet ihre Arbeiten. Motive sammelt sie in ihrem unmittelbaren Umfeld. Die Aufnahmen zeigen etwa umliegende Landschaften, ihre spielenden Kinder oder unterschiedliche Ausblicke aus ihrem Atelierfenster. Ihr Anliegen ist es, mit fotografischen Bewegungsstudien und Fotoserien, Zeit als unsichtbare Dimension einzufangen.
Als 1926 der "Bund Das Neue Frankfurt" gegründet wird, gehören die Michels zu den ersten Mitgliedern. Die Reformbewegung um den Stadtbaurat Ernst May hat zum Ziel, die gesamte kommunale Struktur der Stadt zu modernisieren. Für Künstler, Designer, Typografen und Architekten ergeben sich viele praktische Aufgaben – Schwerpunkt des "Neuen Frankfurt" ist der soziale Wohnungsbau. In diesem Zusammenhang entstehen Ella Bergmann-Michels Fotografien der neu entstandenen Arbeitersiedlungen, die nach dem Vorbild englischer Gartenstädte konzipiert waren.
Die Künstlerin konzentriert sich jedoch nicht nur auf die Fotografie, es folgen im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft "Liga für den unabhängigen Film", die sich 1931 konstituiert und deren Leitung sie gemeinsam mit Paul Seligmann übernimmt, mehrere dokumentarische Filme, die gemäß der Prämisse der "Liga" dem kommerziellen Unterhaltungskino entgegengesetzt sind.
Wichtige Impulsgeber für Ella Bergmann-Michels Filmarbeit sind Joris Ivens und Dziga Vertov, mit denen sie im Rahmen der auf der "Schmelz" stattfindenden Künstlertreffen häufig in Kontakt kommt.
Es entstehen die Werke "Wo wohnen alte Leute" (1931), über ein damals neugegründetes, modernes Altersheim und "Erwerbslose kochen für Erwerbslose"(1932), ein Film, der in vielen Frankfurter Kinos als Vorfilm, sowie in Straßenvorführungen an der Frankfurter Hauptwache läuft und für die Unterstützung von Erwerbslosen-Küchen wirbt.
In ihrem nächsten Film "Fliegende Händler in Frankfurt am Main" (1932) beobachtet Ella Bergmann-Michel Händler, die auf dem Frankfurter Großmarkt Obst und Gemüse erwerben und ohne Genehmigung in den Frankfurter Straße verkaufen. In der Montage des Films sucht sie, ganz im Sinne der "Liga für den Unabhängigen Film", nach den Eigengesetzlichkeiten des Mediums Film: Rhythmus und Bewegung.
Der im Sommer 1932 gedrehte "Fischfang in der Rhön (an der Sinn)", erinnert einerseits an ihre experimentellen Landschaftsfotos und andererseits an ihre Collagen, in denen sie farbig abgestufte Transparentpapiere übereinander schichtet.
Den 1932 begonnenen Film "Letzte Wahl" über den Wahlkampf in Frankfurt im Herbst desselben Jahres, bricht sie aus politischen Gründe ab. Sie wird vorübergehend verhaftet, nachdem sie vor einem Wahllokal der NSDAP eine Schlägerei filmisch aufzeichnet. Das Filmmaterial wird ihr auf der Wache entzogen. Robert Michel gelingt es nach mehreren Telefonaten seine Frau aus dem Gewahrsam zu befreien. Teile des gedrehten Materials können in Sicherheit gebracht werden, der Film blieb letztendlich dennoch nur Fragment.
Fragmentarisch sind auch einige undatierte experimentelle Aufnahmen erhalten, deren Negative Ella Bergmann-Michel für eine Serie von Fotoabzügen nutzt.
Anfang 1933 wird der "Bund Das Neue Frankfurt" aufgelöst, durch die Reichskulturkammer erhalten die Michels Ausstellungsverbot. Das Paar zieht sich auf die "Schmelz" zurück und Ella Bergmann-Michel beginnt mit ihren Tagebuchaufzeichnungen "Briefe in die Nacht".
Nach Ende des 2. Weltkriegs übernimmt sie die Leitung des Frankfurter Filmclubs und setzte sich für den experimentellen Film ein. Die 1963 in Leverkusen stattfindende Ausstellung "Pioniere der Collage" bewirkt eine Wiederentdeckung des Künsterpaares Bergmann/Michel.
Ella Bergmann-Michel stirbt am 8. August 1971 auf der "Schmelz".