Louise Brooks
Mary Louise Brooks wurde am 14. November 1906 in Cherryvale, Kansas, einer Kleinstadt im Mittleren Westen der USA, geboren. Von ihrer künstlerisch interessierten, klavierspielenden Mutter, die ihre vier Kinder früh mit Literatur und Musik in Berührung brachte, wurde sie bereits als kleines Mädchen angeregt, Tanzunterricht zu nehmen.
Brooks stellte sich als äußerst talentiert heraus und tanzte im Alter von 15 Jahren bereits für die "Denishawn Dancers", der von Ruth St. Denis und Ted Shawn geleiteten Revue-Tanzkompanie, die als Vorreiter des modernen Tanzes gilt. Vier Jahre später, 1925, tanzte sie in George Whites "Scandals"-Ballett, ging nach London, wo sie im Café de Paris engagiert wurde und folgte noch im gleichen Jahr schließlich dem Ruf des Broadways: Hier verpflichtete sie Florenz Ziegfeld Jr. als Mitglied der berühmten "Ziegfeld Follies" für "Louie the 14th".
1925 markiert auch das Jahr von Brooks' erster Filmrolle: Dem Kurzauftritt in Herbert Brenons "The Street of Forgotten Men" folgte ein etwas größerer Part in "The American Venus" ("Die schönste Frau der Staaten", 1926, Regie: Frank Tuttle) und schließlich ein Fünfjahresvertrag für die Paramount. Dort zeigte sie sich als äußerst produktive Darstellerin und spielte in kürzester Zeit in einer ganzen Reihe Komödien unter der Regie von Tuttle, Malcolm St. Clair und Edward Sutherland, den sie 1927 auch heiratete.
Ihren großen Durchbruch schaffte Louise Brooks mit einer Hauptrolle in Howard Hawks' "A Girl in Every Port" ("Blaue Jungs – blonde Mädchen"), der 1928 in die Kinos kam; kurz darauf stand sie mit "Beggars of Life" von William A. Wellman bereits im Zenit ihrer US-Karriere. Die unangepasste, stets mit charakteristischem Bubikopf auftretende Schauspielerin schlug dann auch auf der anderen Seite des Atlantiks Wellen, wo sie G. W. Pabst aufgefallen war, der sie 1929 prompt für sein Meisterwerk "Die Büchse der Pandora" als Wedekinds Lulu besetzte. Die Amerikanerin in Berlin stand auch in Pabsts nächstem Film "Tagebuch einer Verlorenen" (1929) wieder im Rampenlicht und brachte eine ungekannte Lockerheit, eine körperliche Leichtigkeit in den deutschen Stummfilm. Ihr Name erregte bald in ganz Europa Aufsehen, zumal sie 1930 auch in Augusto Geninas frühem Tonfilm "Prix de beauté" (1929), einer französischen Pabst-Produktion nach Drehbuch von René Clair, zu sehen war – allerdings nicht zu hören, denn ihre Stimme wurde nachsynchronisiert.
Noch stand Louise Brooks jedoch unter Vertrag bei der Paramount und musste ihre Pflichten in Hollywood erfüllen. Im Stummfilm "The Canary Murder Case" ("Die Stimme aus dem Jenseits", 1929) hatte sie die Titelfigur des "Kanarienvogels" gegeben, ein verschlagenes Showgirl, dass sich in den eigenen Maschen verfängt. Singen wollte sie jedoch nicht: Als das Studio eine Tonfassung des Films zu erstellen begann, weigerte sich die Schauspielerin, ihre Rolle nachzusynchronisieren und wurde in der Folge von Paramount nur noch mit spitzen Fingern angefasst. Die Verantwortlichen lancierten das Gerücht, dass sich Brooks' Stimme nicht für den Tonfilm eigne, worauf sie nur noch in B-Filmen besetzt wurde.
1931 kehrte die Nonkonformistin Hollywood schließlich den Rücken. Sie verlegte sich aufs Tanzen in Nachtklubs, arbeitete fürs Radio und heiratete 1933 Deering Davesund, einen Millionär, von dem sie sich jedoch bereits nach wenigen Monaten wieder trennte. Mitte der 1930er-Jahre versuchte sie es dann noch ein paar Mal beim Film und spielte unter anderem in "Overland Stage Raiders" ("Gold in den Wolken", 1938) neben dem damals noch unbekannten John Wayne. Danach brach sie vollends mit der Unterhaltungsindustrie und begann in New York als Verkäuferin in einem Kaufhaus zu arbeiten. Einen Versuch, ihre Memoiren zu schreiben, gab sie auf.
Brooks verschwand über Jahrzehnte von der Bildfläche und schien schon in Vergessenheit geraten, bis sie von mehreren Seiten wiederentdeckt wurde: 1958 veranstaltete die Cinémathèque Française eine Retrospektive unter Leitung von Henri Langlois, der die Schauspielerin verehrte und von dem die Aussage überliefert ist: "Es gibt keine Garbo! Es gibt keine Dietrich! Es gibt nichts als Louise Brooks!" In den USA machte sich James Card, Filmkurator des George Eastman House, um eine Wiederentdeckung Brooks' verdient und holte sie nach Rochester, wo sie, inspiriert durch das Sichten alter Filme, zu schreiben begann. Auch wenn sie nicht mehr auf der großen Leinwand zu sehen war, gab sie vereinzelt Interviews für Fernsehsendungen, in denen sie auf die goldenen Jahre der Stummfilmproduktion zurückblickte.
Unter dem Titel "Lulu in Hollywood" erschien 1982 schließlich Louise Brooks' Sammlung von so scharfzüngigen wie präzisen Aufsätzen über das Showbusiness in Hollywood, die Geschichte der Filmindustrie und Geschichten über ihre eigene Karriere sowie die von Kollegen wie Humphrey Bogart und Greta Garbo, der man eine Affäre mit Brooks nachsagte. Der Dokumentarfilmer Richard Leacock drehte 1982 ein einstündiges Portrait der Künstlerin "Lulu in Berlin", in dem diese – nonchalant im Negligé – ihre Arbeit mit Pabst, den Kollegen vom Film und das Studio-System, die Starmaschinerie Hollywoods der Zwanziger- und Dreißigerjahre reflektierte.
Am 8. August 1985 starb Louise Brooks, die über lange Zeit an einem Lungenemphysem litt, in Rochester, NY, an einem Herzinfarkt.