Helke Misselwitz
Helke Misselwitz, geboren am 18. Juli 1947 in Zwickau, absolvierte parallel zum Abitur eine Ausbildung als Möbeltischlerin, 1966 bis 1969 folgte an der Medizinischen Akademie Erfurt eine Ausbildung zur Physiotherapeutin. Anschließend zog sie nach Berlin und arbeitete als Moderatorin, Regieassistentin und Regisseurin beim Jugendfernsehen der DDR, zunächst frei, ab 1973 in Festanstellung. Ab 1973 realisierte sie erste eigene Sendungen, bis der Sender sie 1978 an die Hochschule für Film und Fernsehen nach Potsdam-Babelsberg delegierte, wo sie Regie studierte. Hier entstanden Filme wie "Verstecken" (1979), "Ein Leben" (1980) und "Die fidele Bäckerin" (1982), ihre Diplomarbeit. Es sind fiktionale Filme, die teilweise aber auch dokumentarische Elemente beinhalten und sich überwiegend mit der Zeit der Naziherrschaft befassen.
Nach dem Abschluss ihres Studiums kehrte Misselwitz nicht zum Fernsehen zurück, stattdessen begann sie als freie Autorin und Regisseurin zu arbeiten, hauptsächlich für das DEFA-Studio für Dokumentarfilme. Zunächst musste sie ihren Lebensunterhalt nebenher durch Gelegenheitsarbeiten in einer Galerie und in einer Berliner Bahnhofsgaststätte sichern. 1985 bis 1988 war sie Meisterschülerin bei Regisseur Heiner Carow an der Akademie der Künste der DDR. In dieser Zeit drehte sie den Dokumentarfilm "Winter adé" (1988) über die sehr unterschiedlichen Lebenssituationen mehrerer Frauen in der DDR, von der alten Großmutter bis zur 16jährigen Punkerinnen. Die Kamera führte Thomas Plenert, mit dem Misselwitz nun immer wieder zusammenarbeitete. Der Film wurde ein großer Erfolg bei Kritik und Publikum und gewann die Silberne Taube auf der Leipziger Dokfilmwoche.
Nach dem Erfolg von "Winter adé" erhielt Misselwitz 1988 eine Festanstellung beim DEFA-Studio für Dokumentarfilme. Mit ihrem nächsten Film "Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann" (1989) porträtierte sie den Alltag in einer Kohlenhandlung im Prenzlauer Berg, die von einer Frau geleitet wird. In "Sperrmüll" (1990) zeigte sie eine Punk-Band, deren Instrumente Gegenstände sind, die andere weggeworfen haben.
Nach der Wende wurde Misselwitz im Zuge der Abwicklung der DEFA entlassen und gründete 1990 gemeinsam mit Produzent Thomas Wilkening ihre eigene Produktionsfirma - eine der ersten privaten Filmfirmen in Ostdeutschland. Ihr erster langer Spielfilm folgte 1992: "Herzsprung" erzählt die tragische Geschichte einer arbeitslosen jungen Frau, die sich in einen Afrikaner verliebt und deshalb von den Bewohnern ihrer Kleinstadt drangsaliert wird.
Es folgten weitere dokumentarische Arbeiten, bis sie 1996 mit "Engelchen" ihren zweiten Spielfilm drehte. Susanne Lothar verkörpert darin eindringlich eine einsame Fabrikarbeiterin, die ein kurzes Liebesglück mit einem verheirateten Polen erlebt, doch zuletzt jede Hoffnung auf ein besseres Leben verliert. Mit den Dokumentarfilmen "Fremde Oder" (2001) und "Quartier der Illusionen" (2004) befasste sich Misselwitz abermals mit der Geschichte und den Geschichten einzelner Orte in Ostdeutschland.
Von 1997 bis 2014 war Helke Misselwitz Professorin für Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam-Babelsberg (heute: Filmuniversität Babelsberg) und fungierte bei verschiedenen Projekten als dramaturgische Beraterin, etwa bei Matthias Luthardts Debüt "Pingpong" (2006).
2009 wurde Misselwitz mit dem Verdienstorden des Landes Berlin ausgezeichnet; 2014 erhielt sie einen Stern auf dem "Boulevard der Stars" am Potsdamer Platz. Im Februar 2017 wurde ihr Schaffen mit dem Ehrenpreis beim Preis der deutschen Filmkritik gewürdigt.
Im November 2019 stellte sie in der Berliner Akademie der Künste den halbstündigen Dokumentarfilm "Helga Paris, Fotografin" vor, ein Porträt der 1938 geborenen Fotografin, die unter anderem durch ihre Alltagsfotografien in der DDR bekannt wurde.
Im Jahr 2021 widmeten die Anthology Film Archives, New York, und das Mar del Plata Film Festival, Argentinien, Misselwitz umfangreiche Retrospektiven. Beim Lissaboner Festival Doclisboa lief im Oktober 2021 ihr Dokumentarfilm "Die Frau des Dichters", über die türkische Malerin Güler Yücel (1935-2020), Ehefrau des politischen Lyrikers Can Yücel (1926-1999).
Helke Misselwitz lebt in Berlin und bei Rheinsberg.
Die Ausstattung dieser Personenseite wurde durch die DEFA-Stiftung gefördert.