Rolf Boysen
Der Schauspieler Rolf Boysen wurde am 31. März 1920 in Flensburg geboren. Nachdem er 1939 die Schule mit dem Abitur abgeschlossen hatte, absolvierte er eine Lehre als Kaufmann, bevor er Soldat wurde und im Zweiten Weltkrieg kämpfte. Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg begann Boysen, dem die kaufmännische Tätigkeit nicht zusagte, eine Schauspielausbildung. 1948 erhielt er sein erstes Engagement am Stadttheater Dortmund. Anschließend stand er auf zahlreichen Bühnen in Deutschland, etwa in Kiel, Hannover und Bochum.
1957 zog es Boysen zum ersten Mal nach München, wo er bis 1968 an den Kammerspielen engagiert war. Hier spielte er unter der Regie von Fritz Kortner beispielsweise Shakespeares "Othello" oder den Carlos in Goethes "Clavigo". Den spanischen Herzog Alba verkörperte er in Erwin Piscators Schiller-Inszenierung "Don Karlos". 1958 gab er zudem sein Fernsehdebüt in einer Nebenrolle in "Der kaukasische Kreidekreis". Nach weiteren Fernsehrollen, beispielsweise in "Hamlet" (1960) oder "Zeit des Glücks" (1961) war Boysen 1963 erstmals in "Bekenntnisse eines möblierten Herrn" unter der Regie von Franz Peter Wirth auf der großen Leinwand zu sehen. Mit Wirth verband Rolf Boysen zudem eine langjährige Zusammenarbeit für das Fernsehen.
In Film und Fernsehen war Boysen meist in Theaterverfilmungen und/oder historischen Rollen zu sehen. Er spielte in Fritz Umgelters TV-Adaption von Shakespeares "König Richard III" (1964), in "Requiem für eine Nonne" (1965, TV) nach William Faulkner, und übnernahm die Rolle des Judas in "Pontius Pilatus" (1966, TV). Für diese Darstellung und die Hauptrollen in "Der Mann, der sich Abel nannte" (1966) und vier weiteren Fernsehproduktionen erhielt Boysen 1967 die Goldene Kamera als bester Schauspieler.
Boysen arbeitete weiter sehr produktiv für das Fernsehen und wirkte nach dem Kinofilm "Liebesnächte in der Taiga" (1967) und "Das Attentat: Walther Rathenau" (1967, TV) im international produzierten TV-Mehrteiler "Die Odyssee" (1968) nach Homer mit. Die Titelrolle übernahm er 1969 in Wolf Vollmars siebenteiligem Epos "Michael Koolhaas" nach Heinrich von Kleist. Im selben Jahr verkörperte er den schwedischen Wissenschaftler Emanuel Swedenborg in Fritz Umgelters Fernsehverfilmung von Strindbergs "Epitaph für einen König". 1970 spielte er unter der Regie von Marcel Ophüls und Fritz Kortner wieder den Carlos in Goethes "Clavigo", dieses Mal jedoch für das Fernsehen. Zwei Jahre später sah man Boysen dann im TV-Zweiteiler "Der Illegale" als Oberleutnant Sergej Mossewnin neben Götz George als russisch-deutschem Spion. Nach einer kleineren Rolle als Verleger in "Als Mutter streikte" (1974, TV) nahm Boysen eine fünfjährige Pause von Film und Fernsehen.
Boysen, der seit 1968 am Deutschen Schauspielhaus Hamburg gespielt hatte, kehrte 1978 nach München an die Kammerspiele zurück. Dort begann wenig später seine sehr fruchtbare und langjährige Zusammenarbeit mit Regisseur Dieter Dorn, bei dem er bereits in einem Gastspiel in Berlin in der "Jagdgesellschaft" von Thomas Bernhard mitgewirkt hatte.
Ebenfalls 1978 spielte Boysen unter Franz Peter Wirths Regie im aufwändigen, auf Golo Manns Biographie basierendem Fernseh-Vierteiler "Wallenstein" die Titelfigur. Seine vielschichtige Darstellung wurde von der Kritik hoch gelobt. In der Goethe-Verfilmung "Egmont" spielte er erneut unter der Regie von Wirth den spanischen Herzog von Alba, den er bereits bei den Münchner Kammerspielen in Erwin Piscators Inszenierung von Schillers "Don Karlos" gab.
Boysen wirkte zudem in weiteren Verfilmungen berühmter Dramen mit, etwa in "Emilia Galotti" (1984) nach Lessing, im gleichen Jahr unter Wirths Regie in "Don Carlos. Infant von Spanien" und 1987 in Shakespeares "Troilus und Cressida" unter Dieter Dorn. In Dorns Theaterinszenierung von "Troilus und Cressida" stand Boysen zudem unter anderen mit Thomas Holtzmann, Peter Lühr und Sunnyi Melles auf der Bühne der Münchner Kammerspiele.
1988 spielte Boysen in Dieter Dorns "Faust"-Verfilmung, 1992 gab er dann Shakespeares "King Lear" im gleichnamigen Fernsehfilm unter Dorns Regie. Von 1993 bis 1999 spielte er den Lear auch auf der Bühne mit beeindruckendem Einsatz – es wurde eine seiner legendärsten Rollen. 1998 erhielt Rolf Boysen den Bayerischen Theaterpreis, ein Jahr später folgte der Kulturelle Ehrenpreis der Stadt München.
Nach einer weiteren fünfjährigen Pause von Film und Fernsehen hatte Boysen 1997 einen Auftritt in der TV-Serie "Anwalt Martin Berg" und gab unter Dorns Regie den Friedrich Wilhelm in "Prinz Friedrich von Homburg" (1997, TV). Als Sprecher fungierte er in Dominik Grafs und Michael Althens dokumentarisch angehauchtem Spielfilm "München – Geheimnisse einer Stadt" (2000) und ein Jahr später in Fernsehverfilmungen von Goethes "Faust I" und "Faust II". Boysens Stimme ist auch in zahlreichen Hörspielen und Hörbüchern verewigt, etwa in Douglas Adams' "Per Anhalter ins All" (1981) oder in Ecos "Der Name der Rose" (1986). Außerdem lieh er unter anderen Bela Lugosi, Eli Wallach und Leonard Nimoy seine Stimme für deutsche Synchronfassungen.
Boysens Stammregisseur Dieter Dorn wechselte 2001 an das Residenztheater München. Der Schauspieler folgte seinem Regisseur und spielte dann mit über 80 Jahren den Shylock in Dorns Inszenierung von Shakespeares "Kaufmann von Venedig". Gemeinsam mit seinem Schauspielkollegen Thomas Holtzmann erhielt Boysen 2003 den Deutschen Kritikerpreis. 2004 folgte die Verfilmung des "Kaufmanns von Venedig" für das Fernsehen, (Regie: Hans-Klaus Petsch), in der Boysen seinen letzten Fernsehauftritt hatte. Seine letzte Theaterrolle war die des Dionysos in Euripides "Die Bakchen" (2005), erneut unter der Regie von Dorn.
Rolf Boysen wurde 2009 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. 2012 kehrte er noch einmal auf die Bühne zurück, um "Der Wij" von Nikolai Gogol in der Reihe "Nachtseiten" zu lesen.
Am 16. Mai 2014 starb Rolf Boysen im Alter von 94 Jahren in München. Er war Vater dreier Kinder, von denen die Söhne Markus (Schauspieler) und Peer Boysen (Theaterregisseur) ebenfalls künstlerische Karrieren einschlugen.