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Alle Fotos (2)Biografie
Stefan Schwietert, geboren am 29. Januar 1961 in Esslingen, wuchs im schweizerischen Therwil auf. Praktische Filmerfahrungen sammelte er nach seinem Schulabschluss ab 1980 in der Videogenossenschaft Basel, wo er Experimentalvideos und Kurzfilme über die Schweizer Jugendunruhen realisierte.
Nach einem Aufenthalt in Brasilien (1980/81), wo er als Regieassistent für das lateinamerikanische TV-Netzwerk TV Globo arbeitete, und in San Francisco, wo er ein Gastsemester am California Art Institute absolvierte, zog Schwietert nach Berlin: Von 1984 bis 1990 absolvierte er ein Regiestudium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie. Sein Abschlussspielfilm "Sprung aus den Wolken" (D/CH 1991) wurde in den Wettbewerb des Locarno Filmfestivals eingeladen.
Nach seinem dffb-Abschluss gründete Schwietert in seiner Heimatstadt Therwil die Produktionsfirma Neapel Film. Seither hat er eine Vielzahl an Dokumentarfilmen für Fernsehen und Kino realisiert. Der thematische Schwerpunkt liegt dabei auf dem Bereich Musik; zugleich erzählen Schwieterts Filme von gesellschaftlichem Wandel und dem damit einhergehenden Verlust sowie der Neubildung von Traditionen.
Schwieterts erster abendfüllender Dokumentarfilm war "Der Schatten ist lang" (1994), ein Porträt des Wiener Theaterautors und politischen Schriftstellers Jura Soyfer. Ein großer internationaler Erfolg gelang ihm mit seinem zweiten Kino-Dokumentarfilm "A Tickle in the Heart" (DE/CH 1996), über das jüdische Klezmer-Trio Epstein Brothers. Der Film wurde mit dem Artur-Brauner-Preis, mit dem Dokumentarfilmpreis des Chicago Filmfestival und mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet.
Fürs Fernsehen realisierte Schwietert anschließend die Dokumentation "Im Warteraum Gottes" (CH/DE 1998), über jüdische Holocaust-Überlebende, die ihren Lebensabend im amerikanischen Rentnerparadies Florida verbringen.
Mit "El Acordéon del Diablo" (DE/CH 2000), über den legendären karibischen Wandermusiker Pacho Rada, und "Voyage Oriental - The George Gruntz Concert Jass Band in Turkey" (2001) über eine Tournee der George Gruntz Concert Jazz Band drehte Schwietert zwei weitere Dokumentarfilme, die Musiker- und Gesellschaftsporträts miteinander verbanden. In "Liebeslieder" (2001) kombinierte er Gabriel-Fauré-Interpretationen der Sopranistin Barbara Hendricks mit Jazz-Versionen des Treya Quartetts; in "Das Alphorn" (2003) forschte er den musikalischen Möglichkeiten dieses mit Alpenklischees behafteten Instruments nach. Für "Accordion Tribe" (2004) begleitet er die gleichnamige Akkordeon-Gruppe während Proben und Konzerten; zugleich zeichnete er die Herkunft der modernen Akkordeon-Musik aus der Folklore nach.
Einen weiteren internationalen Erfolg konnte Stefan Schwietert mit "Heimatklänge" (CH/DE 2007) feiern: Der Dokumentarfilm befasste sich mit der Stimme als unmittelbarster Ausdrucksmöglichkeit des Menschen, vom altertümlichen Juchzen und Jodeln bis zu avantgardistischer Vokalkunst der Gegenwart. "Heimatklänge" erhielt den Schweizer Filmpreis und wurde bei den Solothurner Filmtagen sowie beim Dokumentarfilmfestival Visions du Réel in Nyon mit dem Publikumspeis ausgezeichnet; im Forum der Berlinale erhielt er den C.I.C.A.E. Award, beim Europäischen Filmpreis eine Nominierung als Bester Dokumentarfilm. Ebenfalls 2007 stellte Schwietert "Big Band Poesie" vor, über die wechselvolle Geschichte des Vienna Art Orchestra.
Fünf Jahre später, bei den Solothurner Filmtagen 2012, feierte "Balkan Melodie" (DE/CH/BG) Premiere, ein Dokumentarfilm über den passionierten Musiklieber Marcel Cellier, der in den Jahrzehnten zuvor mehrere außergewöhnliche Künstler, vor allem aus Osteuropa, entdeckt hatte. In seinem nächsten Film "Imagine Waking Up Tomorrow And All Music Has Disappeared" (CH/DE 2015) spielte Schwietert mit einem ungewöhnlichen Gedanken-Experiment: Wie wäre es, wenn keine Musik existierte, die Menschen nicht einmal wüssten, was Musik ist, und sie ganz von vorne anfangen müssten, um sie zu entdecken? Nach seiner deutschen Erstaufführung beim Münchner Filmfest 2015 startete "Imagine Waking Up Tomorrow And All Music Has Disappeared" im Oktober 2015 regulär in den deutschen Kinos.
Neben seiner Arbeit als Filmemacher lehrt Stefan Schwietert an der Zürcher Hochschule der Künste und der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin.