Biografie
Liddy Hegewald wurde am 22. September 1884 als Anna Liddy Genau in Bockau geboren; ab ihrem siebten Lebensjahr wuchsen sie und ihre sechs älteren Geschwister als Vollwaisen auf. Liddy absolvierte bis 1898 die Volksschule und begann eine Apothekerlehre. Im Jahr 1901 heiratete sie Albin Hegewald, Inhaber einer Firma für Elektromotoren und die Installation elektrischer Anlagen. Dort erhielt Liddy Hegewald eine umfassende technische Ausbildung und übernahm nach dem Tod ihres Mannes die Geschäfte.
Allerdings wechselte sie als Unternehmerin bald das Metier und wendete sich dem noch jungen Medium Film zu: 1909 kaufte sie ein erstes Kino in Pirna, dem bis 1916 noch 15 weitere folgten, unter anderem in Leipzig, Eisleben und Merseburg. Ab 1916 realisierte sie als Produzentin sogenannte "Aktualitäten", kurze Nachrichtenfilme über aktuelle Themen.
1919 gründete Liddy Hegewald eine eigene Filmproduktionsfirma. Die Hegewald-Film mit Sitz in Leipzig (ab 1925 in Berlin) realisierte Stummfilme verschiedenster Genres: Wildwest-Abenteuer ("Lola, die Apachenbraut", 1921), Gesellschaftsdramen ("Der Heiratsschwindler", 1922), Historiendramen ("Aschermittwoch", 1925) und nicht zuletzt Detektivfilme ("Nat Pinkerton im Kampf", "Ratten der Großstadt", "Hände hoch", alle 1921). Für die Regie zeichnete bis 1927 stets Wolfgang Neff verantwortlich.
Ab 1927 arbeitete Hegewald vorwiegend mit dem österreichischen Regie-Duo Jakob und Luise Fleck zusammen, womit sich der inhaltliche Schwerpunkt verschob: es entstanden Literaturverfilmungen wie "Liebelei" (1927), Adaptionen von aktuellen Operettenerfolgen ("Der Orlow", 1927) und Problemfilme wie "Frauenarzt Dr. Schäfer" (1928) und "Das Recht auf Liebe" (1929). Wie es anlässlich einer Retrospektive im Deutschen Historischen Museum Berlin 2020 hieß, mussten die "rasch produzierten Filme" meist "ohne große Budgets auskommen". Zwar hätte man prominente Schauspieler engagiert, doch für eine "sorgfältige Stoffentwicklung, Drehbucharbeit und Inszenierung" habe oft die Zeit gefehlt. Neben den Flecks engagierte Hegewald Regisseure wie Richard Oswald ("Frühlings Erwachen. Eine Kindertragödie", 1929), Georg Jacoby ("Pension Schöller", 1930) und Erich Schönfelder ("In Wien hab' ich einmal ein Mädel geliebt", 1930); bei "Im Reiche der Kalifen" (1929) führte ihr Sohn Fred von Bohlen Regie.
Bei der Berliner Filmkritik kamen die Hegewald-Produktionen oftmals nicht gut weg, doch beim Publikum fanden sie großen Anklang, angeblich vor allem in ländlichen Regionen. Statt von "Hinterwäldlern" war bei der Kritik damals spöttisch von "Hegewäldlern" die Rede, die der Firma zum großen Erfolg verhalfen.
Tatsächlich animierte dieser Erfolg Hegewald dazu, auch im Filmverleih tätig zu werden. Der Übergang zum Tonfilm gelang ihr mit aufwändigen Produktionen wie der Operette "Die Csikosbaroneß" (1930) spielend. Für 1931 wurden zehn Hegewald-Tonfilme und acht Tonfilme ihrer zweiten Firma Silva Film angekündigt. Damit war der Hegewald-Konzern rein zahlenmäßig die zweitgrößte deutsche Filmproduktionsfirma nach der Ufa.
Dann aber kam es zu erheblichen Problemen: Ungünstige Investitionen und Vertragsabschlüsse sowie ein Vertragsbruch des Regisseurs Wilhelm Dieterle, der sich bei der Silva für vier Filme verpflichtet hatte, dann aber in die USA ging, führten dazu, dass Hegewald im März 1931 Konkurs anmelden musste. Die bereits fertiggestellten Hegewald-Tonfilme wurden von anderen Verleihern mit großem Erfolg in die Kinos gebracht. Hegewalds letzte Produktion in Deutschland war 1931 "Wenn die Soldaten..." unter der Regie der Flecks, die nach der Machtübernahme der Nazis 1933 nach Österreich zurückkehrten.
Bald versuchte Hegewald einen Neustart im Filmgeschäft. Der in Österreich produzierte Film "Madame Blaubart" (1931) durfte jedoch aufgrund neuer Devisenbestimmungen nicht aufgeführt werden. Sie strengte einen Prozess gegen die deutsche Reichsfilmkammer an, der jedoch mit dem Verlust ihrer Zulassung endete – fortan durfte Hegewald nicht mehr im deutschen Filmgeschäft arbeiten. Mit geliehenem Geld beteiligte sie sich 1933 an einer weiteren österreichischen Produktion, bei der die Flecks Regie führten: "Liebe bei Hof" (auch: "Mein Liebster ist ein Jägersmann").
Danach zog Liddy Hegewald sich notgedrungen ins Privatleben zurück. 1936 wurden sie und ihr Sohn Fred wegen Heiratsschwindel und Begünstigung angeklagt, jedoch freigesprochen. Am 1. Dezember 1950 starb Liddy Hegewald in einem psychiatrischen Krankenhaus, den Wittenauer Heilstätten, in Berlin.