Biografie
Hans-Dieter Grabe, geboren am 6. März 1937 in Dresden als Sohn eines Berufsoffiziers, besucht 1943-51 die Volksschule in Dresden. 1951 zieht die Familie nach Cottbus um, Grabe schließt dort 1955 die Oberschule ab. Von 1955-59 studiert Grabe an der Regie-Fakultät der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg. Am Ende seines Studiums spezialisiert er sich auf den Dokumentarfilm, übersiedelt jedoch vor dem Abschluss in die Bundesrepublik. 1960-62 ist er freier Mitarbeiter beim Fernsehen des Bayerischen Rundfunks in München in der Abteilung Politik und Zeitgeschehen. Anschließend wird Grabe Redakteur beim ZDF in Mainz. Als Autor und Regisseur ist er dort verantwortlich für gesellschaftspolitische Magazinbeiträge und Dokumentarfilme.
1962 dreht Grabe Filme über die neutralen Länder Schweden und Österreich, über Kuwait, über die "Trümmerfrauen von Berlin", das Hospitalschiff "Helgoland" und das Leiden der Menschen in Vietnam. Mit "Mendel Schainfelds zweite Reise nach Deutschland" findet Grabe zur eigentlichen Form seiner Dokumentarfilme. In Gesprächen mit Einzelpersonen oder Gruppen lässt er seine Protagonisten ausführlich zu Wort kommen, ohne ihnen im Dialog oder bei der Nachbearbeitung das Wort abzuschneiden. Seine Filme sind das Instrument moralischer Analyse, um dem Zuschauer einen ihm neuen existenziellen Zusammenhang nahe zu bringen.
In "Helgoland" lässt Grabe die Chirurgen auf dem Hospitalschiff in Vietnam während und nach den Operationen sprechen. In "Mendel Schainfelds zweite Reise nach Deutschland" erfährt der Zuschauer aus dem Gespräch, wie der KZ-Häftling einem eben Gestorbenen das Brot aus der Hand nimmt. 15 Jahre nach dem Grubenunglück von Lengede befragt er 1979 die damals Verschütteten. In "Hiroshima, Nagasaki – Atombombenopfer sagen aus" kommen die Opfer nach vierzig Jahren zu Wort. "Ich bekenne mich schuldig – Lew Kopelew" von 1986 ist eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.
Der Dokumentarfilm "Helgoland" und die späteren Filme aus Vietnam entwickeln sich für Grabe zu einer Langzeitstudie. "Dien, Chinh, Chung und Tung – Lebensversuche in Vietnam" porträtiert vier Vietnamesen in einem Land nach dem Krieg. 1990/91 trifft er "Do Sanh", einen der Patienten der Helgoland und "Dien, Chinh, Chung und Tung" als junge Erwachsene wieder, deren Leben der Krieg zerstört hat. "Grabe hat nie geschipselt, er benutzt keine Musik, er lässt andere reden. Und schon gar nicht versucht er irgendetwas nachzustellen. Das wäre eine Lüge. Für ihn zeigt der Dokumentarfilm die Wahrheit. Und die steckt in Einzelschicksalen" (tageszeitung, 6.3.2002).
Grabe dreht 1994-99 eine Trilogie über nationalsozialistische Mitläufer und das Getto im polnischen Poddembice. Der 1. Teil, "Er nannte sich Hohenstein", porträtiert einen deutschen Bürgermeister im besetzten Polen der Jahre 1940-42, der sich unter dem Pseudonym Hohenstein als Schöngeist und Opfer der Nazi-Barbarei inszeniert. Dieser Film erhält 1995 den Adolf-Grimme-Preis und zusammen mit "Drei Frauen aus Poddembice" den Friedenspreis der Biennale. 1995 entsteht der 3. Teil, "Letzte Stunden in Poddembice", in dem Abraham Ziegler aus Tel Aviv und Jacob Rosenkranz aus Antwerpen schildern, wie sie 1942 der SS entkamen.
Hans-Dieter Grabe ist seit 1992 Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. Er ist seit 1965 mit Inger Dahl Pedersen verheiratet und hat zwei Söhne, Hans Jörgen (geb. 1966) und Lars Dieter (geb. 1969). Grabe lebt in Münchwald in Rheinland-Pfalz.