Toter Mann

Deutschland 2001 TV-Spielfilm

Helle Lebenswelten, finstre Herzen

Lichte Hallenbäder, pittoreske Fußgängerbrücken, großzügig gestaltete Gastronomiewelten: Auf den ersten Blick scheint die Architektur Stuttgarts dazu angetan, dass die Menschen einander begegnen. Doch statt sich zu finden, sieht es in Christian Petzolds Rachedrama eher danach aus, als würden sie sich im saturierten Ambiente verlieren. Da mutet es wie eine wunderbare Fügung an, dass ausgerechnet der schüchterne Thomas (André Hennicke), ein Anwalt um die 40, der in seinem Apartment den wehmütigen Songs von Van Morrison lauscht, beim Schwimmen eine junge Frau namens Leyla (Nina Hoss) kennen lernt. Wie sich herausstellt, war das Aufeinandertreffen kein Zufall, sondern inszeniert – offensichtlich steht Leyla in Beziehung zu einem Mörder, der von Thomas juristisch beraten wird.

"Toter Mann", mit dem Deutschen Fernsehpreis und dem Grimme-Preis ausgezeichnet, ist ein moderner Film noir: Die Figur des naiven Helden, der durch ein für ihn kaum zu überschauendes Geschehen treibt, ist ebenso aus den klassischen Werken des Genres bekannt wie die immer neue Identitäten offenbarende Femme fatale. Auf manieristische Anleihen bei der Schwarzen Serie verzichtet Petzold indes. Es gibt keine expressionistischen Licht- und Schattenspiele, stattdessen wird auf andere Weise Verunsicherung geschaffen: Der Blick der Kamera trifft selten den Blick der gefilmten Menschen, oft schauen sie zu Boden oder sind nur von hinten zu sehen. So werden die auf Transparenz ausgerichteten Lebenswelten, in denen sie sich bewegen, ihres Sinnes beraubt. Der Rachegeschichte, die sukzessive zutage tritt, verleiht das eine gewisse Doppelbödigkeit: Statt die üblichen Revanchegelüste zu bedienen, kommt es zu komplexen Spiegelungen zwischen Täter und Opfer.

Quelle: Christian Buß, Birgit Glombitza (Red.): "Deutschland, revisited". (Katalog zur gleichnamigen Retrospektive im Kommunalen Kino Metropolis Mai - Juli 2004). Hamburg: Kinemathek Hamburg e.V., 2004

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