Der Hauptmann von Köln
Der Hauptmann von Köln
Ralf Schenk (Red.): Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg 1946-92. Herausgegeben vom Filmmuseum Potsdam. Berlin: Henschel 1994.
Dudows nächster Film, "Der Hauptmann von Köln" (1956), entspricht der Affinität des Regisseurs zum Genre der Groteske – eine Leidenschaft, der er mit Theaterkomödien wie "Der Feigling" (1939/40) oder "Das Narrenparadies" (1943) frönte, die er aber bei der DEFA bisher nur in Ansätzen entfalten konnte. Sein Nachkriegsprojekt "Der Weltuntergang", eine mit Werner Hinz, Käte Haack und Aribert Wäscher prominent besetzte Groteske auf die Angst des Kleinbürgers vor gesellschaftlichen Veränderungen, war 1948/49, zunächst aus Finanzgründen, dann aus Angst der DEFA-Direktion vor formalistischen Tendenzen, kurz vor Drehbeginn ad acta gelegt worden. Bei den folgenden Filmen kam Dudow bestenfalls in Nebenlinien seinem Hang zur Satire nach: mit der Zeichnung kriegslüsterner "Biertischstrategen" in "Familie Benthin"; mit dem verzerrten Westberliner Bar-Ambiente in "Frauenschicksale", und mit der Darstellung dümmlich-treudeutscher Nachbarn der Lönings in "Stärker als die Nacht".
Nun gibt er seinem Affen Zucker: "Der Hauptmann von Köln" ist eine stilistisch konsequente antifaschistische Satire auf die bundesdeutsche Gegenwart, in der er Zeitungsmeldungen verarbeitet, die er in einer dicken Mappe mit der Aufschrift "Wunderliches aus dem Land des Wirtschaftswunders" gesammelt hat. Aufgefallen waren ihm vor allem zwei Meldungen, deren Inhalte er als symptomatisch für die Entwicklung der BRD interpretierte: Der Vorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Abgeordneter des Bundestages, hatte dort vehement für die Amnestie von Kriegsschuldigen plädiert – bis bekannt wurde, daß er selbst Hauptstellenleiter im Reichspropagandaministerium gewesen war, sich nach dem Krieg einen falschen Namen zulegte und seine eigene "Witwe" heiratete. Die zweite Meldung betraf einen vermeintlichen Spätheimkehrer, der angab, Sturmbannführer gewesen und aus einem französischen Gefängnis geflohen zu sein. Der Mann wurde in Bad Kreuznach von "alten Kameraden" mit Geschenken überschüttet, im besten Haus am Platze untergebracht und mit Vorträgen über seine "Leidenszeit" beauftragt – hier war man einem schlichten Bäckergesellen auf den Leim gegangen. Dudow und die Autoren Henryk Keisch und Michael Tschesno-Hell verknüpften beide Geschichten zu einer:
Ein stellungsloser Kellner namens Albert Hauptmann (Rolf Ludwig) wird für den "Kriegshelden" Hauptmann Albert gehalten und klettert in der mit Altnazis durchsetzten BRD-Wirtschaft und -Politik schnell auf der Karriereleiter nach oben. Zur dramatischen Umkehr der Handlung kommt es, als sich der Kellner dazu hergibt, im Bundestag ein Gesetz über die Amnestie von Kriegsverbrechern zu befördern – nun kann der wahre Hauptmann (Erwin Geschonneck) aus seinem Versteck hervorkriechen. Der Falsche wird vor Gericht gezerrt, der Echte findet Einlaß in allerhöchste Kreise: eine bittere Farce mit grimmigen kabarettistischen Überspitzungen.