Frau Rettich, die Czerny und ich

Deutschland 1997/1998 Spielfilm

Frau Rettich, die Czerni und ich


Rudolf Worschech, epd-Film, Nr. 5, 1998

Frau Rettich ist hispanophil. In einem Frankfurter Verlag ist sie für Spanien zuständig, und auf einem Kongreß hat sie ihren spanischen Verlobten kennengelernt, den ihre beiden Freundinnen nur "Pupsi" nennen. Vielleicht um die Flüchtigkeit der Beziehung anzudeuten, die die Rettich normalerweise zu Männern hat. Die Czerni ist da schon anders: Sie hat ihren Lebensgefährten, der aufgrund seiner ausgeprägt lehrerhaften Physiognomie nur "Bart" heißt, schon vor vielen Jahren kennengelernt. Und Sophie, die jüngste der drei, hat sowieso nur einen im Sinn: Bakunin, einen Buchhändler, den sie aber eigentlich nur ein paar Mal gesehen hat. Alle drei Frauen arbeiten im selben Verlag, und weil Rettichs Hochzeit mit dem steinreichen Spanier ansteht, machen sie sich auf den Weg zur iberischen Halbinsel. Mit einer gemeinsamen Reisekasse und genau eingeteilten Zigarettenlängen.

Allerdings hat Bart sich vorher um das Auto gekümmert. Weil er immer nach dem Preis schaut, kam für ihn nur eine billige Werkstatt in Frage. Als er bemerkt, daß die vergessen hat, die Radmuttern anzuziehen, folgt Bart der Route der drei Damen und trifft unterwegs, natürlich, auf den einsamen Buchhändler, den er als Anhalter mitnimmt. Prompt bleibt das Auto der Damen erst einmal in Frankreich liegen – ausgerechnet Frankreich, ein Land gegen das Frau Rettich eine ausgesprochene Phobie entwickelt hat (schlechte Erfahrung mit den Männern!) –, aber die drei schaffen es über einen Zwischenstopp in Sitges bis zu ihrem Ziel: Barcelona. Hier will die Rettich sich intensiv auf ihre Hochzeit vorbereiten und sich ebenso intensiv um das passende Kleid dazu kümmern, aber als Bart und Bakunin eintreffen, kommt es zu Verwicklungen, mit denen keiner gerechnet hätte, zu einem Chaos der Gefühle mit Betrug, Eifersucht und alkoholischer Kompensation.

Das klingt nach Klamauk, und "Frau Rettich, die Czerni und ich" hat einen wohltuenden Mut zu Übertreibungen und Kalauern. Auch wenn der Film so manche komödiantische Standardsituation ausreizt: seinen Charme verliert er auch nach 102 Minuten nicht. Das liegt zum einen an der wohltemperierten Zusammenstellung des Frauentrios (und seinen ausgezeichneten Darstellerinnen), das sich zumindest verbal unaufhörlich neckt und aufzieht. Stöckelt die damenhafte Frau Rettich, der Name kommt nicht von ungefähr, mit hohen Absätzen und rotem Kostüm durch die Gegend, so wirkt die Czerni schon handfester – und das nicht nur, weil sie am Abend mit ihrer Nase den "Wäschetest" macht: Kann man das Kleidungsstück morgen noch anziehen? Sophie dagegen ist frech, aber auch linkisch. Zum anderen besitzen gerade die Dialoge eine gehörige Portion Nonsense, die ungewöhnlich ist für einen deutschen Film ("So schlecht hatte ich mich nicht mehr gefühlt, seit ich auf einer Personenwaage stand und vergessen hatte, den Rucksack abzunehmen").

Simone Borowiak, die langjährige "Titanic"-Redakteurin und -Kolumnistin hat, zusammen mit Hans Kantereit, ihren dem Film zugrundeliegenden Roman gerafft und um die Parallelhandlung der beiden Herren erweitert. Das gab Raum für mindestens eine unglaublich witzige Szene: wie Bart von Lastwagenfahrern in einer Raststätte zum Essen eines "Willi Burgers" genötigt wird. Auf der Strecke blieb dabei leider und unausweichlich der räsonierende innere Monolog von Sophie, ihre Betrachtungen über die PDS etwa, über nacktbadende Frauen oder über das Pinkeln von Männern im Stehen. Borowiaks Roman gilt als Frauen-Kultroman – wahrscheinlich, weil endlich einmal nicht Frauensolidarität im Vordergrund steht, sondern ihr Lästern untereinander. Er ist aber auch geschrieben aus dem Geist der spezifisch Frankfurter Satire, inspiriert in seiner Betrachtungsweise vom Minimalismus Henscheidscher Prägung ("Die Vollidioten") und in seinen poetischen Exzessen an Gernhardt/Bemstein/Waechter gemahnend ("Frau Rettich meint, halb durchgesägt,/daß sie die Folter nicht verträgt"). Aber es ist müßig, einen Film mit seiner Vorlage zu vergleichen. Deshalb ein Tip: Zuerst den Film sehen und dann den Roman lesen. Wer ihn noch noch nicht gelesen hat.

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