Credits
Regie
Drehbuch
Kamera
Musik
Darsteller
Produktionsfirma
Alle Credits
Regie
Drehbuch
Kamera
Szenenbild
Musik
Darsteller
Produktionsfirma
Länge:
60 min
Aufführung:
Uraufführung (DE): 03.10.1991, ARD
Titel
- Originaltitel (DE) Hüpf, Häschen hüpf oder Alptraum eines Staatsanwalts
Fassungen
Original
Länge:
60 min
Aufführung:
Uraufführung (DE): 03.10.1991, ARD
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Ein Lieferwagen biegt um die Ecke mit unverfänglicher Aufschrift einer westlichen Firma. Doch dann wird die Seitenschiebetür geöffnet und „Schlapphut“ Grill (Horst Hiemer), Major der Staatssicherheit, soll Daniels zu einer Anhörung bringen. Eine Kommission für sozialistisches Unrecht soll über seine Integrität als Vertreter des Rechts entscheiden. War er SED-Mitglied, gar Zuträger des Ministeriums für Staatssicherheit? Verstrickt war er sicherlich ins Unterdrücker-System, keine Frage. Er hat sich nichts vorzuwerfen, sieht der Entscheidung, ob er in die Justiz des vereinten Deutschland übernommen wird, jedoch mit Skepsis entgegen.
Andererseits kann er das Urteil der Kommission mit Gelassenheit erwarten. Daniels Gattin könnte als Ärztin die Familie allein ernähren, er sich in den Ruhestand versetzen lassen und sich um Haus und Kinder kümmern. Unterwegs werden noch eine Parteipolitikerin (Christine Schorn) und ein Familienbeauftragter (Axel Werner), der gern in seinen angestammten Beruf als Pfarrer zurückkehren möchte, in das Fahrzeug geladen.
Zusammen mit anderen Bürgerrechtlern, darunter eine Schauspielerin (Johanna Schall) und ein Schriftsteller (Frieder Venus), wird Daniels in Polizeigewahrsam genommen. Er soll sich dafür rechtfertigen, dass er sich im Oktober 1989 als einziger Staatsanwalt geweigert hatte, mit Willkür Haftbefehle gegen friedliche Demonstranten auszustellen. Stasi-Major Grill und Genossen veranstalten einen Schauprozess, in dem sie persönlich mit den „Verrätern“ abrechnen. Welche sie nach bewährter Stasi-Methode in einem Käfig zusammenpferchen, in dem sich auch eine junge, hochschwangere Frau (Ute Lubosch) befindet.
Wie zu DDR-Zeiten sind die Menschen „zur Klärung eines Sachverhalts“ festgenommen worden, ohne dass dieser konkret benannt worden ist. Sie werden in Einzelzellen einem Psychoterror aus ständigem Lichtwechsel, der sie um den Schlaf bringen soll, ausgesetzt. Und dann gibt es im „Bau“ noch eine besondere, „Häschen hüpf“ genannte Folter-Variante, der auch Daniel unterzogen wird. Und die Abgeordnete, die hier natürlich vergeblich auf ihre parlamentarische Immunität hinweist.
Alptraum oder Wirklichkeit? Unbelehrbare Partei- und Stasi-Bonzen, die sich nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaats verborgen haben, kehren die Schuldfrage um und starten einen Rachefeldzug gegen ihre Widersacher vor der Wende. Die sich in immer neuen Selbstbezichtigungs-Runden verantworten sollen. Alte Rechnungen werden beglichen – mit den alten kriminellen Methoden. Und der festen Überzeugung, auf der richtigen Seite der Geschichte gestanden zu haben – und immer noch zu stehen. Das mutet einerseits surreal an, ist vom Drehbuchautor Ulrich Plenzdorf, vom Regisseur Christian Steinke und vom Kameramann Hartmut Strobel aber sehr realistisch umgesetzt worden.
Letzterer gehörte zusammen mit den Schauspielern Thomas Neumann, Johanna Schall, Ute Lubosch und Frieder Venus zu den Gästen Uwe Noskes am 5. September 2019 im Prenzlberger „Kaffe Kaffe“ an der Immanuelkirchstraße, wo über die gemeinnützige „Gesellschaft zur Pflege des Kulturerbes“ Kino- und TV-Produktionen gezeigt werden. Man habe, so Strobel, an Originalschauplätzen wie dem Berliner Polizeipräsidium an der Kolbestraße gedreht und die Käfige habe es tatsächlich gegeben, sie seien auch am 7. und 8. August 1985 rund um die Feiern zum 40. Jahrestag der DDR zum Einsatz gekommen.
Das „Traumspiel“ des bekannten Ost-Berliner Schriftstellers Ulrich Plenzdorf (1934-2007), der nach der Wende vor allem für das Fernsehen arbeitete, ist authentisch grundiert: Zwei Pankower Staatsanwälte, die sich gegenüber den sog. Staatsfeinden menschlich verhalten haben und Demonstranten nicht hinter Gittern brachten, waren ebenso reale Vorbilder des Drehbuchs wie die von Johanna Schall verkörperte Schauspielerin Jutta Wachowiak als Mitglied einer Kommission zur Aufdeckung sozialistischen Unrechts.
Die nur sechzigminütige Koproduktion des Deutschen Fernsehfunks mit dem Bayerischen Rundfunk (Prod. Tilo Mittelstrass) wurde am 3. Oktober 1991 im Abendprogramm der ARD erstausgestrahlt, bevor sie am 4. November 1991 erstmals in der DFF-Länderkette zu sehen war. Sie wurde 1991 mit dem Fernsehspielpreis der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste ausgezeichnet. Zur Entstehungszeit des Films im Wendejahr 1990 waren alle Beteiligten hinter und vor der Kamera bereits gekündigt. Nicht nur die Defa in Babelsberg, sondern auch der Deutsche Fernsehfunk in Johannisthal befand sich in Auflösung.
Pitt Herrmann