Kombat Sechzehn
Kombat Sechzehn
Rüdiger Suchsland, film-dienst, Nr. 11, 26.05.2005
Von Frankfurt/Main nach Frankfurt/Oder – das ist mehr als nur ein Ortswechsel. Am Kontrast zwischen der Banken-City von "Mainhattan" und der Stadt im äußersten Osten der Republik, direkt an der polnischen Grenze, zeigt sich die innere Spannung im gegenwärtigen Deutschland, wie eine mentale Ostverlagerung des kulturellen Diskurses. Plötzlich sind es andere Probleme, neue Themen, die sich in den Vordergrund drängen, und die alten werden neu gewichtet. Schon in Filmen wie "Halbe Treppe" (fd 35 604) und "Lichter" (fd 36 069) wurden Frankfurt/Oder und die deutsch-polnische Grenze zum Kristallisationspunkt des neuen deutschen Ostens und seiner Probleme. Daran knüpft "Kombat Sechzehn" an. Man sieht im Debüt des 33-jährigen Mirko Borscht wenig Malerisches, die Tristesse der Trabantenstädte mit ihren heruntergekommenen Plattenbauten dominiert: kahle graue Betonarchitektur.
Weil sein Vater eine neue Arbeit gefunden hat, muss Georg hierher ziehen. Der Umzug bedeutet für den 16-Jährigen die vollständige Aufgabe seines bisherigen Lebens: In Frankfurt/Main hat er nicht nur seine Freundin zurückgelassen, er musste auch seinen geliebten Taekwondo-Sport aufgeben. In Hessen stand er kurz vor der Landesmeisterschaft, in Brandenburg findet sich kein Verein. Seine Kenntnisse in Kampf-Sportarten sind Georg trotzdem bald nützlich, als er während der ersten Schultage von seinen Klassenkameraden herausgefordert wird. Den ersten Fragen ("Wo stehst du politisch? Links oder rechts?") weicht er noch aus, doch auf der Straße zählt nur sein Vermögen, sich körperlich zu behaupten. Als Georg beweist, dass man ihn nicht mal so eben zusammenschlagen kann, ist der Kampf um Anerkennung gewonnen, ein Platz im oberen Bereich der Hackordnung sicher. In kleinen Schritten nähert sich Georg einer Gruppe von Neonazis an. Man sieht, wie Kampfsport ein vielleicht sogar pädagogisch wertvolles, jedenfalls aber politisch neutrales Mittel zur Selbstdisziplinierung ist, das überdies notwendige Hilfe zur Selbstverteidigung sein kann und doch unter den gegebenen Umständen vor allem zum Instrument von Machtbehauptung und Willkür wird.
Plausibel und glaubwürdig ist Borschts Schilderung einer jugendlichen, männlich dominierten Erlebniswelt, in der die Straße zum Dschungel geworden ist, wo allein Gewalt, Gruppenzugehörigkeit und sehr prekäre Formen von Männerfreundschaft zählen. Diese rechtsextrem eingefärbten Subkulturen sozialschwacher Kids sind an manchen Orten längst zum dominanten Milieu geworden. Den sozialen Hintergrund, auf dem sie gedeihen, bilden die allgemeine soziale Krise in Deutschland, die Arbeitslosigkeit der Eltern, das Fehlen eigener Perspektiven. "Kombat Sechzehn" gelingt es hervorragend, diese Szenen, deren essenzieller Bestandteil Gewalt ist, zu skizzieren und daran zu erinnern, dass sie Erwachsenen größtenteils verschlossen bleiben. Wie Borscht in die Jugendkultur ostdeutscher Neonazis eintaucht, erinnert in Stil und Inhalt an "American History X" (fd 33 545). Erzählt wird aus der Sicht der Beteiligten, mit viel Konzessionen an die aktuelle Ästhetik der Jugendkultur. Keinesfalls verwechseln sollte man das aber mit "faschistischer Ästhetik". Nur oberflächlich geht der Film manchmal dem Machismo der Szene auf den Leim. Das Drehbuch wurde bemerkenswerter Weise von einer Frau geschrieben, aber Borscht macht sich nicht mit seinem Objekt gemein, tut vielmehr das, was ein Film über Neofaschismus tun muss, will er sich nicht nur an längst Bekehrte wenden: Statt zu moralisieren, versucht er, die Faszination zu erklären – ohne voreilige Distanzierung und moralischen Zeigefinger. "Kombat Sechzehn" zeigt Hässlichkeit und Brutalität, überspielt sie nicht mit Weichzeichner und Kitsch-Musik. Der Film ist in seinem Urteil klar, redet nichts schön; wohltuend fällt auf, dass er mehr Fragen als Antworten hat.
Trotzdem befriedigt er nur zum Teil, neigt "Kombat Sechzehn" doch zur Kolportage. Plötzlich sind es persönliche psychologische Probleme, nicht soziale Zustände, die die Figuren motivieren und die Handlung steuern. Wenn Georg sich von seinem Vater abwendet – Vater-Sohn-Konflikte sind ein Lieblingsthema des deutschen Gegenwartsfilms –, dann muss ein Ersatzvater in Form eines guten Kampfsportlehrers her. Ärgerlich auch, dass manche Figuren zu schwach gezeichnet und manche Nebenhandlungen nicht zuende erzählt werden. Die Qualität der Inszenierung schwankt stark: Über weite Strecken ist sie gelungen, doch stehen wunderbar-elegischen Kampfszenen kurios-dilettantische Traumsequenzen und manch überzeichneter Moment gegenüber. Aufmerksamkeit verdient "Kombat Sechzehn", der das Potenzial hat, ein junges Publikum für das Thema Neonazismus zu interessieren, aber in jedem Fall.