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Das Seebad Ahlbeck, ein Ferienort kurz vor der polnischen Grenze auf der Ostseeinsel Usedom. Es ist Sommer. Malte wird in einer Woche volljährig. Er lebt in Ahlbeck bei seinem alkoholkranken Vater Dietmar in einer alten, verfallenen Villa, die geräumt und renoviert werden soll.
Dietmar hat nach dem Tod seiner Frau und infolge der Wende seinen Halt im Leben verloren. Malte arbeitet in einer Fischbude und verdient sich zusätzliches Taschengeld mit dem Schmuggeln von Zigaretten über die polnische Grenze. Das Zusammenleben mit seinem Vater belastet ihn sehr. Malte will weg von Usedom, am liebsten gleich nach der Führerscheinprüfung, die er hier noch ablegen will.
Als überraschend seine Schwester Hannah mit ihrem Sohn Lukas nach Ahlbeck zurückkehrt, hält Malte die verschärfte Familiensituation nicht länger aus und zieht zu seinem besten Freund Pawel. Da Hannah eine Anstellung in einem Supermarkt bekommt, bittet sie Malte, sich während der nächsten paar Tage um ihren kleinen Sohn zu kümmern.
Gleichzeitig verliebt sich Malte in eine 16-jährige Urlauberin, Annika, die gemeinsam mit ihrer Schwester und ihrer Mutter eine Ferienwoche auf Usedom verbringt. Die neuen Lebensumstände, vor allem aber der Kontakt zu Lukas und Annika werden Malte für immer verändern.
Quelle: 55. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)
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Nur noch in seltenen Ausnahmefällen spannt Dietmar seine beiden Schimmel vor den Kutschwagen. Ein solcher ist nun gekommen, als Tochter Hannah mit ihrem Sohn Lukas plötzlich auf der Bildfläche erscheint. Noch so eine gescheiterte Existenz: Die junge und offenbar ledige Mutter, vom Vater des Kindes ist nicht ein einziges Mal die Rede, steht erstmals seit mehr als fünf Jahren wieder daheim auf der Matte, und das nicht auf Besuch. Sie will sich beim Supermarkt Fröhlich um einen Job als Verkäuferin bewerben und dauerhaft in Ahlbeck bleiben.
Was Malte, der seinen Alltagsfrust mit der Sprayflasche zu bewältigen sucht und mit seinen durchaus künstlerischen Graffitis auch vor den eigenen vier Wänden nicht halt macht, nicht wirklich zu Jubelstürmen geschwisterlicher Liebe hinreißt: Hat er sich bisher nur um seinen Vater kümmern müssen, ihn etwa nachts mühsam von Parkbänken an der Strandpromenade nach Hause geschleppt, soll er nun auch noch den lieben Onkel für den lebhaften fünfjährigen Lukas spielen, derweil sich seine Schwester Hannah um einen Job – und eine neue Bleibe bemüht.
Da sind Maltes „Jobs“ geradezu eine Erholung. Der Schulabbrecher hilft bei Fisch Paule in der Räucherei wie in der Gastwirtschaft, hauptsächlich aber lebt er vom Zigarettenschmuggel, den er mit seinem polnischen Freund Pawel betreibt. Doch seit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union hat sich die Gewinnmarge auf zwanzig Cent pro Packung erheblich reduziert, wobei das „Geschäft“ nicht weniger riskant geworden ist. Denn noch gehört Polen nicht dem Schengen-Abkommen der EU an, noch wird die Grenze auf Usedom und anderswo an Oder und Neiße rund um die Uhr scharf bewacht.
Was wäre das harte Leben ohne die kleinen Freuden, die ein solcher Touristenort bietet, zumindest während der Sommerzeit. Süße Madels vor allem, wie die beiden attraktiven Magdeburgerinnen Annika und Lisa, die die Ferien zusammen mit Annikas Mutter an der Küste verbringen. Während Pawel, ohnehin kein Kind von Traurigkeit, sogleich mit der blendend aussehenden Blondine „geht“, muss die in mehrfacher Hinsicht zielbewusste Annika, sie beginnt demnächst eine Ausbildung als Verkehrskauffrau, um die Welt zu sehen, beim schüchtern-introvertierten Malte die Initiative ergreifen.
Kleine Fluchten: Malte, der sich den Führerschein (noch) nicht leisten kann, kapert sich Hannahs klappriges Auto, einst das Fahrzeug der verstorbenen Mutter, um mit Annika und Lukas die Halbinsel Usedom zu erkunden. Daheim brennt derweil die Hütte – und das im wörtlichen Sinn: Wahrscheinlich ist der betrunkene Vater beim Rauchen eingeschlafen. Der wird schwer verletzt ins Krankenhaus gefahren, die beiden süßen Madels fahren wieder heim und Malte findet ein neues Zuhause: Er zieht in die Wohnung seiner Schwester – und stellt sich sogleich und wie selbstverständlich seinen Onkel-Pflichten bei Lukas...
Der zweite Film des Kölners Till Endemann, sein Kinodebüt, ist eine geradezu klassische Coming-of-Age-Story, die von einer Überforderung handelt: Malte hat bisher zusammen mit seinem Freund Pawel mehr schlecht als recht in den Tag hinein gelebt, gejobbt, geschmuggelt und sich um seinen alkoholkranken Vater gekümmert. Doch plötzlich brechen zwei Ereignisse in sein Leben ein, die ihn schneller Erwachsen werden lassen, als er zunächst verkraften kann: Er verliebt sich heftig in Annika – gegen seinen Willen, weil er weiß, dass sie nach Ferienende Ahlbeck wieder verlassen wird. Und er muss, ob er will oder nicht, Onkelpflichten übernehmen. Zumal am Ende das Dach über seinem Kopf zusammengestürzt ist. „Das Lächeln der Tiefseefische“ ist ein typisches, knapp neunzigminütiges Bildschirmprodukt, das es im Sommer 2005 nur mit äußerst mäßigem Erfolg in wenige großstädtische Programmkinos geschafft hat. Was an der vorhersehbaren Story und der biederen TV-Ästhetik liegt, nicht an den beiden jungen und schon so souverän-präsenten Protagonisten Alice Dwyer und Jacob Matschenz.
Pitt Herrmann