Inhalt
Der Film ist eine Montage zeithistorischen Filmmaterials über 40 Jahre deutscher Geschichte. Herausragende Ereignisse sind die beiden Weltkriege, dazwischen wird der Alltag im Faschismus und als Abschluss das unterschiedliche Leben der Menschen in Ost- und Westdeutschland gezeigt. So entsteht ein Stück Alltagsgeschichte der Deutschen, zu der der Zuschauer sich und seine eigenen Erlebnisse und Erfahrungen in Beziehung setzen soll.
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Weit weniger witzig sind die Defa-Produktionen des in der Wahl ihrer suggestiven Mittel wenig zimperlichen Ehepaars Annelie und Andrew Thorndike, das im Bewusstsein, dem besseren Deutschland zu dienen, aus festem Klassenstandpunkt heraus dreht, was mit der gewöhnlichen Definition des Dokumentarischen nicht in Einklang zu bringen ist. Sondern eher Siegfried Kracauers Kriterien eines tendenziösen Propagandastreifens („Von Caligari zu Hitler“) erfüllt.
„Du und mancher Kamerad“ setzt in der Kaiserzeit ein. Militärparaden und patriotischen Aufmärschen wird die Rede Friedrich Engels' 1893 in den Berliner Concordia-Festsälen gegenübergestellt. Es folgen Aufnahmen, die das harte Los der Arbeiter belegen, die Ausbeutung von Frauen und Kindern. Dazu die bewusst getragene Stimme der beiden Sprecher Mathilde Danegger und Gerry Wolff. In der nächsten Einstellung werden landlose Bauern gezeigt, die für die adligen Großgrundbesitzer schuften.
Ein Handbuch der Millionäre im Kaiserreich stellt Monopolkapitalisten wie die Ruhrbarone Krupp und Stinnes ebenso an den Pranger wie Bankiers und Junker. Sie alle betätigen sich als Kriegstreiber und sind mit Kaiser Wilhelm darin einig, dass Deutschland als Kolonialmacht nur Brosamen abbekommen hat in Afrika und Asien. Der Erste Weltkrieg ist das Resultat imperialistischer Machtansprüche von Wirtschaft und reaktionärer Politik: Er soll die Machtbasis der deutschen Großindustrie, welche sich ganz Belgien, den nördlichen Teil Frankreichs, den südlichen Teil Englands, aber auch Polen und das Baltikum einverleiben will, vergrößern.
Mit dem Bergarbeiterstreik der Mansfelder Kumpel 1909 beginnt der Aufstand der Arbeiter gegen die Kriegspropaganda. Doch die Reaktion schlägt zurück, prügelt etwa eine SPD-Demonstration in Halle zusammen. Auf Anweisung des Kaisers sind in der Nacht zuvor die Säbel der Polizisten scharf geschliffen worden. Aber als es im kaiserlichen Reichstag um die Finanzierung des Krieges geht, stimmen die Sozialdemokraten mit der Reaktion.
Am 1. Mai 1916 spricht Karl Liebknecht auf dem Potsdamer Platz gegen den Krieg. Er wird wie Wilhelm Pieck, Clara Zetkin und Rosa Luxemburg verhaftet und ins Zuchthaus gesteckt. Die Russen machen es den Deutschen vor: Die Revolution beendet das Regime des Zaren und Lenin den Krieg, Hindenburg dagegen erst nach neun Millionen Toten im Jahr 1918. Damit ist der erste Angriff der deutschen Imperialisten auf die Weltherrschaft gescheitert.
Novemberrevolution 1918: Karl Liebknecht ruft vom Balkon des Berliner Stadtschlosses die Republik aus. Nicht zuletzt mit Hilfe von Sozialdemokraten marschiert erneut die Reaktion. Frontsoldaten, die der Dolchstoßlegende Glauben schenken, ermorden Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Dennoch muss der Kaiser abdanken, kommt es zur demokratischen Wahl eines Parlamentes.
Die Weimarer Republik hat nicht nur mit der Weltwirtschaftskrise und sieben Millionen Arbeitslosen zu kämpfen: Wirtschaft und deutschnationale Verbände wie der Stahlhelm verbünden sich mit dem Ziel, die Republik zu stürzen. Auf deren Seite erneut die alten Gesichter Krupp, Stinnes & Co. Auf der anderen Seite schließen sich der Rote Frontkämpferverband mit der Kommunistischen Partei Ernst Thälmanns zusammen. Und die SPD? Kneift.
So wurde der Weg geebnet zum zweiten imperialistischen Weltkrieg. Die Ehrengalerie antifaschistischer Widerstandskämpfer ist Zeugnis dafür, dass nicht alle Deutschen der Goebbelschen Propaganda auf den Leim gegangen sind. Den Wahnwitz des Krieges und der industriellen Ausrottung von Juden und anderem „unwerten Leben“ haben sie freilich nicht verhindern können. Wer hat Europa von den Nazis befreit? In erster Linie die Sowjetarmee, während die Bombenstaffeln der Anglo-Amerikaner noch in den letzten Wochen des Krieges ganze deutsche Städte ausradierten.
Nach 1945 baut die alte Elite aus NS-Staat, Wirtschaft und Wehrmacht mit Billigung der drei Westmächte USA, England und Frankreich Konrad Adenauers kapitalistisches und bald wiederbewaffnetes Westdeutschland auf, während in der Sowjetischen Besatzungszone ein friedlich-internationalistisches, antiimperialistisches und antifaschistisches, kurz: das bessere Deutschland geboren wurde. Die DDR als das sozialistische Vaterland aller aufrechten Deutschen, die nie mehr fremden Herren dienen wollen weder auf der Arbeit noch im Schützengraben...
Der DDR-Historiker Walter Zöllner hat 1965 in seinem Aufsatz über „Film als Quelle der Geschichtsforschung“ den Thorndike-Streifen mit dem verräterisch appellativen Titel als Paradebeispiel bezeichnet für Dokumentarfilme, die „primär der politischen Willensbildung dienen“. Zu diesem Zweck sei es „durchaus möglich, einzelne Phasen nachspielen zu lassen, wenn man sie nicht missen will und aus irgendwelchen Gründen nicht in dokumentarischen Aufnahmen zur Verfügung hat.“
In Westdeutschland wurde das naturgemäß anders gesehen, so warf der Historiker Friedrich Terveen diesem Film bereits 1956 „Geschichtsfälschung“ vor. Als er 1960 auf einem Festival in Mannheim gezeigt werden sollte, machte die Bonner Republik mächtig Druck, sodass die Mannheimer einknickten und noch nicht 'mal die offenbar etwas entschärfte englische Fassung zeigen wollten. Im Jahr vor dem Bau der Berliner Mauer war der Kalte Krieg zwischen den politischen und ökonomischen Systemen voll entbrannt.
Heute ist die Geschichtsklitterung offenkundig und höchstens noch Thema akademischer Diskussionen. Der Fremdanteil von zehn Prozent stammt aus Spielfilmen, aber auch aus nachgestellten Szenen im Babelsberger Studio. Der erste abendfüllende Kompilationsfilm der DDR, der sich mit der deutschen Vergangenheit beschäftigt, basiert im Wesentlichen aus Material des 1936 gegründeten Reichsfilmarchivs, das 1945 von den Sowjets übernommen und 1954 zumindest teilweise dem in Gründung begriffenen Staatlichen Filmarchiv der DDR übergeben wurde. Das Ehepaar Thorndike wurde während seiner zweijährigen Recherche aber auch in Warschau, Budapest, London und Rom fündig. Aus den sechs Millionen Filmmetern wurde eine Vorauswahl mit einer immer noch immensen Länge von 1,5 Millionen Filmmetern getroffen, die dann schließlich zum 103-minütigen Film zusammengestrichen werden mussten.
Pitt Herrmann