Die Mörder sind unter uns

Deutschland (Ost) 1946 Spielfilm

Gespräch mit Wolfgang Staudte


Margit Voss, Berliner Rundfunk (DDR), 1966
MARGIT VOSS: (…) Wolfgang Staudte, welche Erlebnisse waren es, die Ihnen zu jener Zeit jene Erkenntnis verschafften, die dem Film zugrunde liegt?

WOLFGANG STAUDTE: Es war in erster Linie vielleicht ein persönliches Erlebnis. Ich war in den letzten Kriegstagen in Berlin untergetaucht und bin bei der Gelegenheit gestellt worden (ich war nicht Soldat, ich hatte auch keine Papiere, die mich von irgendeiner kriegerischen Tätigkeit befreit hätten) – und zwar von einem SS-Offizier, der mich aber kannte und der mich natürlich beschimpfte und der seine Pistole zog. Ich muß ganz ehrlich gestehen, in diesem Augenblick habe ich gar nicht einmal so viel Angst gehabt, sondern in diesem Augenblick dachte ich – die Rote Armee war etwa schon bei Bernau, so in dieser Gegend, ich wußte also, daß es in den nächsten Tagen mit diesen Herren zu Ende sein würde – und da habe ich mir überlegt, was machst du eigentlich, wenn das zu Ende ist.

Wo nimmst du eigentlich diese Unverfrorenheit her, jetzt noch einen erwachsenen Menschen mit der Pistole bedrohen zu wollen. Das war so eine Situation, die mich persönlich betroffen hat. Das Problem selbst, das war mir eigentlich schon viel, viel früher klar. Denn ich habe ja das Expose zu diesem Stoff schon geschrieben gehabt. Tage oder Wochen vor der Kapitulation habe ich es auch einem sehr vertrauten Freund damals, nämlich dem Kameramann Friedl Behn-Grund, vorgelesen und ihm gesagt, du, wenn dieses Drama hier zu Ende ist, dann machen wir zusammen diesen Film. Nun hatte Friedl Behn-Grund am letzten Tag das Unglück, bei einem Granateinschlag noch sein Bein zu verlieren. Gerade diese Arbeit oder die Aussicht auf die Arbeit hat ihm, glaube ich, sehr geholfen. Ich habe ihm gesagt, wir warten damit, bis du wieder laufen kannst, das ist klar, und mach dir mal keine Sorgen, ich werde inzwischen versuchen, dieses, unser Projekt unterzubringen. Das war allerdings mehr ein Traum, denn es gab ja niemanden. Es war ja eigentlich noch Krieg. (…)

VOSS: Sie mußten zur sowjetischen Militäradministration. Das war für einen Menschen, der im britischen Sektor wohnte, wie Sie zum Beispiel, überhaupt gar nicht selbstverständlich.

STAUDTE: Zu diesem Zeitpunkt der Kapitulation und der Nachkriegszeit waren es für mich die Alliierten. Da war ich also nicht prosowjetisch oder proamerikanisch oder probritisch oder profranzösisch. Und ich bin naheliegenderweise, da ich im britischen Sektor wohnte, mit meinem Exposé zu den Engländern gegangen – ich mache es kurz – zu den Amerikanern gegangen, zu den Franzosen gegangen.

VOSS: Peter van Eyck war doch damals bei den Engländern.

STAUDTE: Nein, er war bei den Amerikanern. Er war bei den Amerikanern verantwortlicher Film-Offizier und hat mir also in einem gebrochenen Deutsch, dafür aber in einer ungeheuer gutsitzenden Uniform erzählt, daß in den nächsten 20 Jahren für uns Deutsche an Filme gar nicht zu denken sei.

VOSS: Haben Sie ihn später einmal an diesen Ausspruch erinnert?

STAUDTE; Nein, ich habe ihn eigentlich persönlich nie mehr wiedergesehen. Später kam ich dann zu Dymschitz, dem zuständigen Kultur-Offizier und da war es eben ein ganz kurzes Gespräch. (...)


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