Süperseks
Süperseks
Birgit Roschy, epd Film, Nr. 10, 01.10.2004
Der Hamburger Elviz hat ein Riesenproblem, seit er das Häuschen seiner Mutter an der türkischen Riviera an den Paten seines Altonaer Viertels, Cengiz, verpfändet hat. Der schnurrbärtige Onkel ist scharf auf das Grundstück und hintertreibt alle Versuche von Elviz, das geliehene Geld zurückzuzahlen. Zufällig hört Elviz die Verständigungsschwierigkeiten seines Bruders bei einem Telefonsex-Gespräch mit und gründet prompt "Süperseks", eine Telefonsex-Hotline mit türkisch sprechenden Mitarbeiterinnen – mit durchschlagendem Erfolg.
Das Genre der türkisch-deutschen Kinokomödie existiert praktisch nicht in Deutschland; die Putzfrauen-Tragikomödie "Anam" (2001) beispielsweise bekam von Regisseurin Buket Alakus ein unmotiviert böses Ende verpasst, die preisgekrönte Asyl-Komödie "Ich Chef du Turnschuh" (1998) von Hussi Kutlucan lief nur im Fernsehen, und "Vizontele Tuuba" lief zwar in deutschen Kinosälen, spielte aber in der Türkei. Erfrischend ist "Süperseks", in St. Pauli gedreht, schon deshalb, weil orientalischer Machismo hier ein Problem der Männer ist und nicht, wie in den vielen "klassischen" türkisch-deutschen Dramen wie etwa 40 qm Deutschland, ein Problem der Frauen – für sie ist es eine sprudelnde Einnahmequelle. Und natürlich macht sich Regiedebütant Torsten Wacker (am Drehbuch schrieb Kabarettist Kerim Pamuk mit) über landläufige Vorstellungen vom radebrechenden Hinterwäldler-Türken und seiner kopftuchtragenden Frau, auch "Schleiereule" genannt, lustig.
Auch sonst setzt man sich frech über politisch-korrekte Beißverbote hinweg, wenn etwa der weltfremde Kalif verulkt wird. Unter dem Vorwand religiöser Bekehrung gibt der fromme Mann seinen Segen zu allem Unfug, und beim Koranpredigen laufen Telefon-Mitschnitte eines stöhnenden "Sultans". Dennoch halten sich die Schlüpfrigkeiten in Grenzen, und auch die Typen – darunter Hilmi Sözer – befinden sich über Ballermann-Niveau. Leider kann das Drehbuch mit einer arg hölzernen Liebesgeschichte und unvermittelten Handlungssprüngen nicht mithalten. Besonders schade ist, dass Emine Sevgi Özdamar als wütende Oma aus der Türkei nicht mehr Leinwandzeit bekommt. Trotz handwerklicher Schwächen aber ist diese kleine Komödie erfolgversprechend und findet hoffentlich Nachfolger: Komische Alltagsgeschichten über das Lavieren zwischen zwei Kulturen warten nur darauf, erzählt zu werden.