Bibi Blocksberg und das Geheimnis der blauen Eulen

Deutschland 2003/2004 Spielfilm

Bibi Blocksberg und das Geheimnis der blauen Eulen


Horst Peter Koll, film-dienst, Nr. 20, 30.09.2004

Die allerersten Töne lassen eigentlich nichts Gutes ahnen: Bevor man überhaupt ein einziges Filmbild geistig aufnimmt, klingt einem bereits eine zart hingetupfte Melodie in allzu vertrauter John- Williams-Manier ins Ohr, und man wähnt sich prompt im falschen Film. In der Tat orientiert sich der zweite "Bibi Blocksberg"- Film deutlich, gelegentlich zu epigonal am einschlägig vertrauten Harry-Potter- Kosmos, wenn es ums Fliegen auf einem Besen geht oder wenn ein Internatsspeisessaal den Eindruck hinterlässt, man sei mitten in Hogwarts. Doch Hand aufs Herz: Auch Joanne K. Rowling hat weiß Gott nicht alles neu erfunden, sich vielmehr auf ein längst vorhandenes Repertoire anderer Geschichten und Mythen gestürzt, es recycelt und für ihre eigene Fabel nutzbar gemacht – und wenn es ums Hexen geht, dann sind die narrativen Muster halt mehr oder weniger vorgegeben. Vielleicht hätte es "Bibi Blocksberg" besser angestanden, wenn man sich auf den eigentlichen geistigen "Vater" dieser kommerziell höchst erfolgreichen Hörspiel-, Buch und Trickfilmserie berufen hätte – auf Ottfried Preußler und seinen liebenswerten Kinderbuchklassiker "Die kleine Hexe"; doch nach dem ersten Kinoabenteuer des zwölfjährigen Hexenmädchens Bibi (fd 35 600) war die Richtung bereits vorgegeben – und so ist es um so erstaunlicher, dass aus dem eher trivialen, taktisch genau berechnenden Ausgangsmaterial doch noch ein sehr unterhaltsamer, durchaus "runder" Abenteuer- und Fantasy-Fortsetzungsfilm (vor allem für Mädchen) geworden ist.

Dies gelingt zum einen, weil das vertraute Personenarsenal wieder nahezu komplett antritt: Da sind neben der selbstbewusstquirligen Bibi selbst ihre Eltern, der wirklichkeitsferne, aber liebenswerte Vater Bernhard, Bibis "handfeste" Hexenmutter Barbara, hinzu kommen die fürsorgliche Oberhexe Walpurgia – und vor allem die herrlich böse Hexe Rabia, die Corinna Harfouch schimpfend und tobend, aber auch verwandlungs und trickreich, ja sogar singend und tanzend erneut zur lebendigsten Figur des Films ausgestaltet, die am Ende gar eine bemitleidenswert tragische Aura umspielt. Rabia hat nach knapp einem Jahr ihrer Verbannung ins Gruselmoor einen Fluchtweg entdeckt und bemüht sich nun um die Wiedererlangung ihrer magischen Kräfte. Da liegt nichts näher, als die Nähe zur Familie Blocksberg zu suchen, weil die Magie bei jeder Berührung mit Hexen wie ein Funke überspringt. Zugleich ist da ja noch eine Rechnung mit Bibi offen. Doch die Rache muss warten: Bibi hat ein wenig zu viel gezaubert und viel zu wenig für die Schule gelernt, sodass die Sommerferien gestrichen werden und sie zur Vorbereitung auf ihre Mathenachprüfung ins Internatsschloss Altenberg geschickt wird. Doch unter den dicken Grundfesten des Gebäudes wartet in einem labyrinthischen System ein sagenhaftes Geheimnis auf Bibi: Es geht um die letzten blauen Eulen und ihren Leben und Trost spendenden magischen Staub, hinter dem bald schon nicht nur Bibi und ihre neue Freundin Elea her sind, sondern auch der Internatsleiter Quirin Bartels und natürlich niemand anderes als Rabia, die grenzenlose Macht anstrebt. Es ist ein turbulentes, kurzweiliges Treiben, das sich im ausstattungsreichen und stimmungsvollen Ambiente auf Schloss Altenberg abspielt, aufgelöst in kleine und kleinste Episoden, Spannungsbögen und skurrile Einsprengsel, die neben Corinna Harfouchs Parforce-Ritten vor allem dank Edgar Selge als herrlich zerstreuter Internatsleiter trefflich unterhalten. Inmitten aller Ereignisse setzt der Film einen weiteren bemerkenswerten Akzent, der der unbekümmerten Hexen-Fabel die notwendige Erdung garantiert: Bibis neue Freundin Lea ist ein nach einem Unfall, bei dem ihre Eltern starben, an den Rollstuhl gefesseltes Mädchen, dem die junge Marie-Luise Stahl ein ebenso sanftes wie glaubwürdiges Gesicht gibt. Bibis Verhältnis zu Lea, der sie helfen und die sie sogar heilen will, wird zur zentralen Bewährungsprobe, weil Bibi die Grenzen magischer Fähigkeiten anerkennen muss und vor allem die "alternative", weit realistischere Macht der Freundschaft erkennt, mit der mindestens ebenso viel Trost und Lebenshilfe gespendet werden kann wie mit magischem Eulenstaub. Mit diesem Strang der Erzählung hält sich der Film quasi selbst im Zaum und findet dank Franziska Buchs pointierter Inszenierung eine glaubwürdige, "diesseits gewandte" Anbindung, die Kindern nichts vom filmischen Spaß nimmt, ihn womöglich aber sogar bereichert und vertieft.

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