Der Dolch des Batu Khan

Deutschland 2003/2004 Spielfilm

Der Dolch des Batu Khan


Horst Peter Koll, film-dienst, Nr. 5, 03.03.2005

Es beginnt mit einer vermeintlich "wilden" Rückschau ins Mongolen-Leben des zehnten Jahrhunderts, als Batu Khan mit seinen Truppen das Land terrorisierte; betuliche Eastern-Romantik und aus der Mode gekommene Videoclip-Ästhetik verbinden sich zum leicht ernüchternden Auftakt eines Kinderkrimis, der deutlich signalisiert, dass er so gut wie nichts mit den computergenerierten Zeitgeist-Action-Spektakeln des gegenwärtigen Mainstream-(Familien-)Kinos am Hut hat.

Es dauert freilich nicht lange, bis man spürt, dass dies überhaupt nicht schlimm ist, im Gegenteil: Günter Meyer, "Spuk"-Spezialist und Urgestein des DEFA-Kinderkinos, vertraut noch ganz dem "altmodischen" Handwerk des kindgerechten Erzählens. Zwar kommen auch seine "Kids" längst nicht mehr ohne Handys aus, doch diese dienen ihnen eher als moderne Walkie-Talkie-Variante, um bei den spannenden, durchaus gefährlichen Abenteuern in Kontakt zu bleiben. Freundschaft, Vertrauen, aber auch Mut und Selbstüberwindung, ohne sich selbst zu überschätzen – das sind dann auch die weit wichtigeren Koordinaten in Meyers Erzählsystem, das die gute alte Enid-Blyton-Welt zu einer aktuellen deutschen Variante ausbaut.

Ort des Geschehens ist Dresden, wo der zwölfjährige Sebastian nach dem Tod seiner Mutter allein mit seinem Vater lebt. Der ist beruflich über die Maßen eingespannt, arbeitet er doch als Chefkonservator im Schatzkammermuseum "Grünes Gewölbe", sodass manche gemeinsam geplante Unternehmung bereits ausfallen musste. Zu Sebastians tiefer Enttäuschung wird auch aus der versprochenen Geburtstags-Urlaubsreise nichts, als in einem Gewölbekeller geheimnisvolle Kisten auftauchen: Vor Ende des Zweiten Weltkriegs wurden Dresdner Kunstschätze vor den Russen versteckt, und Sebastians Vater hofft auf den Fund des Bernsteinzimmers – und des legendären "Dolchs des Batu Khan", eine kostbare Goldschmiedearbeit, die als verschollen gilt. Sebastian ist das anfänglich überhaupt nicht wichtig, ist er doch viel zu sehr von seinem Vater enttäuscht.
Doch als dieser ihn als Mitarbeiter zur neu gegründeten Sonderarbeitsgruppe des Museums hinzuzieht und er jeden (Ferien-)Tag im Museum mitarbeiten darf, ist er stolz und begeistert. Freilich bleiben Aufmerksamkeit und Fürsorge des Vaters weiter begrenzt, und als Sebastian und seine Freunde Maria und Benni einem geplanten Diebstahl auf die Spur kommen, sind sie nahezu auf sich selbst gestellt. Immer mehr verwickeln sie sich in die finsteren Pläne einer skrupellosen Kunsträuberbande, wobei es vor allem gilt, den Verbindungsmann (oder die -frau?) im Museum zu entlarven. Jeder der Arbeitsgruppe macht sich nämlich verdächtig, und niemandem ist zu trauen.

Günter Meyer zieht alle Register des Kinder- und Jugendkrimi-Genres, wie man es leider viel zu wenig aus dem Kino, eher noch aus Büchern, von Hörspielkassetten ("Die drei Fragezeichen") oder aber aus dem Fernsehen ("Die Pfefferkörner") kennt. Doch erst auf der großen Leinwand entwickelt sich ein gehöriges Maß an Spannung, Grusel und "Thrill", das wohldosiert mit Momenten der Entspannung und des Humors wechselt und zudem viel Raum für weitere tragende Elemente lässt: für pittoreske Einblicke ins aktuelle Dresden, für wissenswerte Infos zur Geschichte sowie zum Museumsalltag, vor allem aber für viele Details zum Leben der Zwölfjährigen. Sebastians Sorgen und Wünsche, seine Freunde, eine erste, zart aufkeimende Liebe, aber auch sein selbstbewusstes und couragiertes Durchsetzungsvermögen, nicht allein im Kriminalfall, werden deutlich herausgearbeitet.

Das ist sehr viel für einen einzigen Film, und oft wirkt manches kurzatmig, anderes umständlich oder auch (über-)konstruiert. Erwachsene mögen sich zudem an einigen Klischees stoßen, etwa daran, dass der böse Kunsträuber "Dr. Caligari" ausgerechnet zum skrupellosen Kapitalisten mit West-Wohnsitz mutiert ist, der in vielfacher Hinsicht die Schätze und Werte des ostdeutschen Kulturerbes bedroht; Kinder indes dürften weit sorgloser mit ihren gleichaltrigen Helden in den gefahrvollen Situationen zittern. Gleichwohl ist es höchst sympathisch, dass eine solche Krimi-Variante des deutschen Kinderkinos existiert und sich selbstbewusst behauptet. Es wäre schön, wenn es mehr solcher Filme im Kino gäbe – und sie dort auch vom jungen Publikum wahrgenommen, entdeckt und respektiert werden könnten.

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