Das Versteck
Versteckspielen mit Augenzwinkern. "Das Versteck"
Günter Agde, Filmspiegel, Berlin/DDR, Nr. 26, 1976
Da will einer die Partnerschaft mit seiner geschiedenen Frau wieder anknüpfen. Er trickst sich bei ihr ein, sucht bei ihr ein zeitweiliges angebliches Versteck. (Das gibt dem neuen DEFA-Film auch den Titel: "Das Versteck"). Er tut alles ihm Mögliche, um sie wiederzugewinnen, er tut das plausibel, überzeugt und der Wirkung (auf sie!) sicher. Nur: Er spürt, ahnt, merkt zweierlei nicht. Daß da die Liebe fehlt. Auch für solch Neu-anfangen-Wollen ist sie unabdingbar, bei beiden. Und: Diese Frau ist seit der Trennung anders geworden, selbstsicherer, bewußter, auch etwas skeptischer, wacher. Sie mag sich keine Torheit mehr leisten, auch keine Neuauflage dessen, was sie beide schon einmal miteinander erlebten, immerhin 14 Jahre lang und miteinander verheiratet. Sie möchte gern eine Entscheidung treffen, sucht und braucht den Partner, denn nur in einer guten Partnerschaft blüht sie auf, wird produktiv, noch liebenswerter und schöner. Aber die Entscheidung, die sie dann trifft, ist fürs Leben.
Das übersieht er, merkt es auch nicht. Weil es ihr im Verlauf dieses Ein-Wochen-Versteckens auch erst allmählich klar wird. Sie wird reifer, und das heißt hier auch, daß sie auf Gängiges und Bequemes verzichten will. Und sein unbedingtes Zurück-zu-ihr-Wollen entfaltet sich unter der Hand auch als verfeinerter, verbesserter Ausdruck seines Egoismus. Sie kommt weiter voran als er.
So offenbart dieser Film über weite Strecken einen Schwebezustand, eine Balance besonderer Art, durchflochten von Rückblenden (in die Zeit ihrer früheren Ehe, die an eben seinem Egoismus und am gemeinsam nicht bewältigten Alltag kaputtging). Der Grundeinfall des Films, ein großer Komödieneinfall, bringt somit eine Fülle dichter, beziehungsreicher, leichter Szenen und Situationen zwischen zwei Personen hervor. Fast ein Gegenentwurf zu Ingmar Bergmans "Szenen einer Ehe" – in allen fabelbestimmenden ethischen und politischen Momenten das Gegenteil, was nur von gesicherten gesellschaftlichen Positionen einer freien Persönlichkeitsentwicklung im Sozialismus möglich ist. Daher Heiterkeit, Gelöstheit, Optimismus, Produktivität, obwohl die beiden am Ende auseinandergehen, und diesmal für immer.
Und ein weiterer Grundsatz, der den Stil des Films prägt und in diesem Fall die Idee der Geschichte entscheidend stützt: die beiden suchen durchgängig das Einverständnis mit dem Zuschauer, nicht als Werbung oder als Anbiederung, sondern als Hinweis, ein Aufmerksam-Machen auf das Übereinstimmen von Lebenshaltungen der beiden im Film und der vielen im Saal. Das gelegentliche deutliche Augenzwinkern ist dann nur noch die Pointe dazu.
Ein Stück Alltag unseres Landes, stilsicher, kultiviert, mit Geschmack und Anspruch in einer kleinen, heiteren Geschichte gespiegelt. Ohne die vielen Mitarbeiter des Films geringschätzen zu wollen – diesen hier haben vor allem gemacht – Jurek Becker das Buch, Jürgen Brauer an der Kamera, Jutta Hoffmann und Manfred Krug als Hauptdarsteller. Und alles vereinend, gegenseitig steigernd und wirklich zu einer künstlerischen brillanten Geschlossenheit führend – Frank Beyer als Regisseur. Er bestimmt den Rhythmus jenes Schwebezustandes, formt den Ablauf der Handlung zum Kunstwerk. Er diszipliniert Krug und läßt die Hoffmann zu Leidenschaft und Schönheit aufblühen. Er läßt den nur skizzierten Nebenfiguren Gerechtigkeit widerfahren (Marita Böhme, Dieter Mann, Alfred Müller). Und Jürgen Brauer fotografiert intelligent, ganz auf die Hauptfiguren orientiert, immerzu wach und aufmerksam für jede darstellerische Nuance, das Optische ganz im Dienst der Idee. (…)