man spricht deutsh
Man spricht Deutsh
Elke Kummer, epd Film, Nr. 3, März 1988
Hier treffen sie wieder mal zusammen, die kritischen Spaßmacher der Nation, denen so manches glückte seit "München leuchtet". Da fand zum ersten Mal das Kunststück nicht endend wollenden Beifall, das sie so gut beherrschen wie sonst keiner: Missstände solchermaßen aufs Korn zu nehmen, dass jeder ganz genau weiß, was gemeint ist, und keiner sich getroffen fühlt.
Hanns Christian Müller, Regisseur und Bindeglied zwischen den Kabarettisten und Schauspielern des prominenten Teams, exerziert seinen Kehraus diesmal nicht im Fasching, sondern an des arbeitsamen Deutschen liebsten Kind: dem Urlaub.
Wenn seine den italienischen Edelschnulzen gekonnt nachempfundene Originalmusik so recht in Urlaubslaune eingestimmt hat und die Kamera vom leinwandfüllenden Schwarz-Rot-Gold mit handgepinselter Titelaufschrift "Man spricht Deutsh" zurückfährt, schleppen Gerhard Polt und Gisela Schneeberger gerade ihr Gepäck an jenem Schild vorbei, das eines der Areale von Unkultur etikettiert, die der Massentourismus schafft, wo immer er hinreicht.
Und mit den bekannten Gesichtern stellen sich bald auch die gemischten Gefühle ein, inwieweit geplant, inwieweit unfreiwillig, wage ich nicht zu beurteilen. Jedenfalls wollen die klischeehaften Zustände an diesem Adriastrand, wo sich eine deutsche Kolonie breit macht (weil sie hier mit Schweinshaxe und Schwarzwälderkirschtorte bedient wird), ausgelöst durch das absurde, mit einem gerüttelt Maß an Zynismus auf den komischen Punkt gebrachte Verhalten der deutschen Urlauber, doch nicht so ganz in diese Gegend passen, die ausführlicher vorzuführen der Film sich denn auch hütet. Wie er auch nicht zu erkennen gibt, wo zwischen der geschilderten Realität der Durchschnittsfamilie Löffler, die hier den letzten Tag ihres dreiwöchigen Jahresurlaubs abfeiert, und ihren aus derselben – verdichteten – Realität geronnenen Tagträumen, seine Kritik festzumachen sei: überall oder nirgends?
Er lässt in groben Strichen die Karikatur eines Menschenschlags entstehen, der Jahr für Jahr auf die Wochen Paradies hinspart, die er sich dann selbst zur Hölle macht. Das Utopia des deutschen Urlaubes, die Sehnsucht irgend anderswo hinzugelangen, endet im eigenen Dreck.
Die Löfflers packen das Dach ihres Wagens so voll wie eine Gastarbeiterfamilie bei der Rückkehr in die Türkei und spannen sich selbst in ein Koordinatennetz ein, das kaum anders als denunziatorisch zu begreifen ist, gleichzeitig jedoch die Summe der kritischen Gemeinplätze erst auf die Höhe des Aberwitzes treibt. Wenn dem Ehepaar Löffler mit ihrem allzuwohlgenährten, ständig eismampfenden Sproß nur etwa soviel Bewegungsfreiheit am Strand bleibt wie sie daheim über Quadratmeter Wohnung verfügen, so liegt das nicht einmal daran, dass der Miturlauber zu viele da wären, sondern daran, dass ihre eigene Bedürfnisstruktur sie einengt: Ein Fixpunkt ist der Parkplatz mit dem Hab und Gut im Auto, das fest im Auge behalten werden muss, weil den Italienern nicht zu trauen ist. Alsdann ist die Nahe zum Strandkiosk unverzichtbar, weil dort neben den kalten Getränken auch der vielgebrauchte Teerfleckenentferner erhältlich ist, und zu guter letzt haben die sympathischen Miturlauber auch ihr festes Plätzchen, und so manches, woran sich nutznießen lässt, allein schon das Radio, aus dem die Verkehrsmeldungen von Bayern III über zu erwartende Staustufen dröhnen.
Die Funktion der Tagträume, welche die Löfflers haben, wenn sie nun ein letztes Mal dumpf in den Tag hineindösen, ausgelöst durch die Reize, die trotz aller Sicherungen in ihr Urlaubsarreal dringen, wird aus dem Film selbst kaum verständlich. Man erfahrt jedoch, nicht aus den Spalten der Boulevardpresse, sondern fettgedruckt auf dem hochglanzbeschichteten Karton des Presseheftes, dass man in Terracina wirklich deutsch spricht, weil sich dort, eine Autostunde südlich von Rom nämlich, in den späten fünfziger Jahren eine Kolonie deutscher Wirtschaftswunderlinge bildete, und jene prachtvollen Villen, mit denen sich die Phantasie von Leuten wie Löfflers befasst, dem Klatschspaltenkönig "Hunter", dem Filmproduzenten Luggi Waldleitner, der AZ-Herausgeberin Anneliese Friedmann und dem Buffet-Napoleon Gerd Käfer gehören. Der Hintersinn, mit dem man diesen Drehort wählte - vom Monte Circeo herab sollen die Circen den weitgereisten Odysseus mit ihren Verführungskünsten bezaubert und dessen Gefährten in Schweine verwandelt haben - steht leider auch nur im Programmheft: Der Film führt nunmehr ein geschichtsloses Endspiel vor, dessen sich seine Protagonisten in ihrer stumpfen Hoffnung auf Perpetuierung des Status quo gar nicht bewusst werden. Aber mit dieser Information wird zumindest begreiflicher, weshalb die aberwitzigen Persiflagen neureichen Lebensstils und postmodernen Kultur-Tourismus von Dieter Hildebrandt und Werner Schneyder, im Stil der Fernsehwerbung präsentiert, als jene immer böse endenden Tagträume der touristischen Kleinbürger ausgegeben werden. Aber wer ist denn nun eigentlich gemeint? Vermutlich immer der jeweils andere. Vergnüglich ist es allemal, den Leuten nicht nur auf die Finger, sondern auch in die domestizierten Tagträume zu blicken.