Anton der Zauberer

DDR 1977/1978 Spielfilm

Anton der Zauberer


Regine Sylvester, Sonntag, Berlin/DDR, Nr. 17. 23.4.1978


SONNTAG: "Filmkomödie" heißt es auf der Titelseite des Drehbuchs, ein Filmgenre, das auf eine wechselvolle DEFA-Geschichte zurückblicken kann. Auch Ihr neuer Film kämpfte sich – als er noch Buch war – nur mühevoll und langwierig durch. Auf welche Mißverständnisse trifft das Komödiengenre?


REISCH: Am Wege dieses Genres wachsen bei uns nicht die schönsten Bäume. Es fehlt die Kontinuität und auch die Konsequenz, die eine Sache erst zur Tradition werden läßt. Es fehlt auch die immer wieder neue Entdeckung "der Straße", des Marktplatzes, der Stätten ungezwungener, uralter und lebenspraller Kommunikation. Die Berlin-Filme von Gerhard Klein und Wolfgang Kohlhaase hatten mal dafür eine Tür aufgestoßen, aber irgendein Fuß kam immer dazwischen. Wie und wo braucht die Gesellschaft zum Beispiel einen Film wie Die Prämie? Auch hier ist "die Straße", weil die alltäglichen, notwendigen, ganz unspektakulären Lebensäußerungen von Menschen mit größtem Respekt und Ethos ihrer tatsächlichen Bedeutung gemäß vor das Publikum getragen werden. Dieses alleralltäglichste Verhältnis des Menschen, das Verhältnis zu seiner Arbeit, haben wir zur Grundlage unserer Komödie gemacht. Anton, ein Mann von schier unendlicher Produktivität, ein Zauberer, ein Künstler auf seinem Gebiet, ist in diesem Verhältnis glücklich, und damit paart sich bei ihm das Bedürfnis, soviel als möglich aus seinem Talent zu machen, es auch teurer zu verkaufen, als es die Tarifordnung zuläßt. Das ist ein Konflikt, der vielen Menschen in unserem Land nicht fremd sein sollte; Menschen wie Anton begegnet man auf Schritt und Tritt. In diesem Zwiespalt von stolzer Selbstbestätigung im Privaten und rastlosem Weiterwollen im Gesellschaftlichen liegt durchaus auch ein Stück DDR-Bewußtsein. Denken Sie an den wahren "Produktivitätsrausch" in unserem Land, an die meilenweite Flucht der Zäune aus Beton oder buntbemaltem Holz und was dahinter nach Feierabend hochschießt. Was da gebaut wird, das zeugt von enormer Fähigkeit. Unter ihnen allen lebt Anton als einer von uns. (…)


SONNTAG: Die Hauptrolle spielt Ulrich Thein. Ist es problematisch, einen anerkannten Regisseur als Schauspieler einzusetzen?

REISCH: Er ist Schauspieler und Regisseur, und als Regisseur weiß er, wie verderblich das Zerreden einer Figur werden kann. Thein ist ein "Arbeitspferd", das weiß jeder. Der Beruf ist für ihn die ernsthafteste Tätigkeit – es wäre unmoralisch für ihn, etwa unvorbereitet zur Probe zu erscheinen. Natürlich kommt er mit neuen Vorschlägen, doch nicht mit neuer Szene, gar neuen Dialogen. Karl Georg Egels Dialoge sind sehr gut zu sprechen, doch sie verlangen in ihrer Diktion eine gewisse Stilisierung. Nur der Unbegabte macht sich die Dinge mundgerecht, der Talentierte sucht den Schwierigkeitsgrad, der ihn fordert.

SONNTAG: Welche Leute sollen sich den Film ansehen ?


REISCH: Ich würde die Filmplakate zum Beispiel an die Tankstellen kleben. Alles, was motorisiert ist. alles, was baut, alles, was in diesem Land schafft und schuftet, könnte an Anton, dem Zauberer, Interesse haben.

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