Stielke, Heinz, fünfzehn...
Stielke, Heinz, fünfzehn...
Die Jungen begeben sich zunehmend in die Kindheit, die Jugend ihrer Väter wie Großväter. Sie fragen, forschen nach dem Gewesenen und danach, wie jene seinerzeit bestanden, was sie vermochten, wo sie versagten. Ulrich Weiß kommt einem in den Sinn mit seiner persönlichen Willi Bredel-Version von "Dein Unbekannter Bruder" und Jörg Foth mit seiner poetischen Wedding-Interpretation von "Das Eismeer ruft". Nunmehr interessiert sich Michael Kann in seinem Debütfilm für einen Fünfzehnjährigen, über dessen Erlebnisse und Einsichten im letzten Kriegsjahr Wolfgang Keller autobiographisch in "Abenteurer wider Willen" schrieb. Literatur wird zum Anstoß, der Film zum Feld persönlicher Sichten, vergegenständlichter Phantasie, wie es gewesen sein könnte, müßte. (…)
"Grad die Ausnahmesituation, die Spannungsmomente und das Abenteuerliche reizten uns", sagen Manfred Schmidt, der Mitautor, und Michael Kann. So beschreiben sie in einer mitunter hektischen Szenenfolge all die außergewöhnlichen Erlebnisse ihres halbwüchsigen Helden, skizzieren Porträts jener Menschen, denen er bei seiner Odyssee begegnet – und verweisen damit auf Haltungen, Lebensformen eines in der Agonie liegenden Landes. Da ergibt man sich dem Taumel von Rassismus und Durchhalteparolen, von Lebensgenuß und Liebeslager; da folgen zugleich Ernüchterung, Resignation, auch Aufbegehren. Nicht nur der jugendliche Zuschauer erhält vielerlei plastische Einsichten in dieses letzte Kriegsjahr: Einblicke in kaum oder nur wenig bekannte Bereiche, wie eben das Arbeitserziehungslager für asoziale Jugendliche, die hier gezüchtigt, deformiert werden.
Doch Michael Kann setzt mehr auf das äußere Zeitbild mit seinen vordergründigen Konturen. Er verliert sich hier in spektakuläre Beschreibungen (die schier pathologische Lagerführerin mit ihrem Drang nach Bettstatt und Staffelei) und dort in idyllische Schilderungen (der märchenhafte Großvater mit der Enkelin). Kitsch und Kolportage werden offenbar und bewirken eine Bagatellisierung der aus den Fugen geratenen Zeit. Der Regisseur hinterfragt sie zu wenig wie auch seinen Helden, ist kaum hintersinnig, spart sozusagen geistige Beschaffenheit, ideelles Werden weitgehend aus. Der Film ist zu eben, zu plan; er begnügt sich mit dem puren, sicher oft zutreffenden, viel Atmosphäre atmenden Abbild.