Sieben Monde
Sieben Monde
Heike-Melba Fendel, epd Film, Nr. 5, Mai 1998
Interessant und zweifellos überraschend an "Sieben Monde" ist die Besetzung: Hoch begabt und mindestens halbbekannt sind sie alle, die kunterbunt aus der blühenden deutschen Schauspielerlandschaft zusammengepflückt wurden, um Szene für Szene zu einem ganz persönlichen Auftritt auszugestalten. Die Regie stützt das Bemühen der Haupt- wie Nebendarsteller, fortwährend ihre individuelle Duftmarke zu setzen, die Stars bekommen den Raum, sich als ebensolche zu inszenieren. Und dies tut nun jeder auf seine Weise in diesem Film, der sich selbst als Mystery Thriller definiert, wobei die Mystery Phase die ersten zwei Drittel besetzt.
So begegnen sie uns, einer nach dem anderen, die Rollen und die Stars; Jan Josef Liefers ist Thomas Krömer, die Hauptfigur. Als eine Art deutscher Barton Fink träumt er den Traum von der großen Literatur, während er finnische (!) Horror- und Pornofilme synchronisiert, dazu mit einem maroden Apartment, einem asozialen Nachbarn und einem weniger als bescheidenen Liebesleben geschlagen ist. Die von Marie Bäumer verkörperte Buchhändlerin Alexandra ist seine beste Freundin, stille Liebe und das heimliche Objekt seiner sanften Begierde. Dem sinnlich aufspielenden Duo sind mit Ulrich Mühe und Christoph Waltz zwei präzise, ihre Rollen mit einer fast spürbaren Pedanterie ausfeilende Kollegen an die Seite gestellt. Mühes Hans Eschbach ist ein feingeistiger und, wie sich herausstellt, hoch neurotischer Autor und Lektor, verliebt in Alexandra und seine eigene Genialität. Waltz gehört als Hauptkommissar Becker zu jener Sorte Ermittler, der, von "Blutmond" bis "Millenium", Täter durch ein Höchstmaß an eigener Identifikation zu stellen weiß. Sein Kollege Graf hingegen liebt es nach den Regeln der klassischen Ermittlungskunst. Diesen gradlinigen Ehrgeizling wiederum spielt ausgerechnet der sensible Chaot Peter Lohmeyer, der seine Rolle mit genervter Wurstigkeit und lässiger Nonchalance versieht.
Ausführlichere Cameos werden Burkhard Driest als beider Chef und Horst Krause als intrigantem Gerichtsmediziner zugeschrieben. Driest unterspielt cool amerikanisch. Krause zieht den Part listig deftig auf. Komplettiert wird das heterogene Ensemble durch Michael Gwisdek als bis zur Geckigkeit exaltiertem Verleger, überzeugend in seiner gesetzten Virtuosität auch er, doch wie die anderen spielt er für sich und gegen den Film.
Dass die schauspielerischen Bemühungen sich nicht mit dem Fortgang von "Sieben Monde" verzahnen, liegt an einer Reihe von Unentschlossenheiten, die den Film mit der Zeit ausbluten lassen, wie die Leichen vermeintlicher Werwolfopfer. Es ist lange Zeit unklar, ob Peter Fratzscher im Geiste und Stile amerikanischer Independent-Heroen wie der Coen Brüder und David Lynch (dessen "Lost Highway" er zitiert) eine bizarre Poesie herstellen oder lieber einen verzwickt erzählten, atmosphärischen Serienmörderreißer inszenieren oder vielleicht doch deutsches Seelchentum unter Einsatz mythischer wie märchenhafter wie humoristischer Elemente karikieren möchte. Am Ende jedenfalls, wenn Krömer sich endgültig für einen Werwolf hält, die Polizei die Holzwege abtrampelt und die schauspielerischen Kabinettstückchen abgeliefert sind, kippen alle Lesarten, und "Sieben Monde" erlaubt sich ein TV- Movie- Finale wie aus dem Bilderbuch. Ganz schnell und sehr konstruiert werden alle losen Enden zu einer klaren Lösung verknotet und Handlungsfäden rückwirkend zu falschen Fährten degradiert, um sich in Ruhe dem läppischen Finale mit gefesseltem Opfer und grimassierendem Killer zuzuwenden.
"Sieben Monde" ist das typische Beispiel eines Filmes, der zuwenig erreicht, weil er sich zuviel vorgenommen hat. Wie seine Schauspieler steht er fortwährend unter Druck, etwas beweisen zu müssen: dass er so professionell wie originell ist, mit den deutschen Komödien nichts zu tun hat, einem Genremix gerecht wird, es sehr ernst damit meint, sich nicht zu ernst zu nehmen und dass er bei allem Mut zum kalkulierten Risiko sehr gerne kommerziell sein möchte. So fügt sich letztlich nichts ineinander, und es überwiegt rückblickend der Eindruck eines Projektes, bei dessen Entwicklung und Herstellung zu viele Menschen zu viele Meinungen und Ideen hatten.