Das Mikroskop
Das Mikroskop
Josef Schnelle, film-dienst, Nr. 7, 06.04.1988
Kann man der Liebe mit Hilfe eines Mikroskops auf die Spur kommen? Was verrät das Sozialverhalten maulbrütender Fische über das menschliche Zusammenleben? Ist ein gebrochener Arm bei einer sich anbahnenden Dreiecksgeschichte ein Glück oder doch eher ein Unglück? Solchen Fragen geht Rudolf Thomes erster Film einer geplanten Trilogie mit dem Titel "Formen der Liebe" nach, oder will er doch mehr? Der Film beginnt als normale Beziehungsgeschichte unserer Tage. Franz und Maria kommen heillos zerstritten aus einem Urlaub am Meer zurück. "Diesmal ist es endgültig", sagen sie. Maria – Mitte Dreißig – will heiraten und ein Kind haben. Franz hat immer noch Angst vor zu fester Bindung. "Ein Kind, das kann man doch nicht einfach zurückgeben, wenn"s nicht mehr klappt!" So argumentiert er einer gemeinsamen Freundin gegenüber.
Die beiden ziehen sich voneinander zurück und "lecken ihre Wunden". Franz legt sich eine opulente Aquariensammlung zu und beginnt, das Zusammenleben der Fische zu studieren, während Maria ihr Blumengeschäft mit einer neuen Idee belebt. Von nun an werden japanische Bonsai-Bäumchen verkauft. Franz lernt Tina kennen, die ihn eines Tages auf der Straße anspricht, aber Tina ist mit Maria noch besser bekannt. Die beiden Frauen ziehen zusammen, und bevor sich der angelegte Dreierkonflikt so richtig entfalten kann – noch bei der Renovierung der Wohnung – , bricht Franz sich den Arm. Anfangs genießt er die pflegerische Aufmerksamkeit durch beide Frauen, aber die haben bald entschieden, daß Franz zu Maria gehört. So muß erst einmal ein neues Spielzeug her. Franz kauft sich ein wertvolles Mikroskop und wird durch die "Erotik" der Zellteilung der Kleinstlebewesen angeregt, sich mit Maria auszusöhnen. Aus einem Versuch mit der vorübergehenden Betreuung der Kinder eines befreundeten Ehepaars wird sehr schnell Ernst. Das Urlaubsflugzeug der Eltern stürzt – den Erfordernissen des Drehbuchs eher gehorchend als denen der Wahrscheinlichkeit oder denen der Glaubwürdigkeit – postwendend ab, und so löst sich das eingangs skizzierte Problem fast von selbst. Unmittelbar nach der Hochzeit sind also schon die Adoptivkinder da und ein eigenes läßt auch nicht lange auf sich warten. Nur Franz interessiert sich eine Spur zu sehr für das, was auf den Objektträgern unter seiner Mikroskoplinse vor sich geht.
Ohne detailliertes Drehbuch, nur auf der Grundlage eines ausführlichen Treatments ist dieser Film entstanden, mit dem Thome eingestandenermaßen auf die filmische Methode und den Stil Eric Rohmers schielt. Immerhin gelingen ihm besonders in der ersten Hälfte damit einige für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich lockere, wenig angestrengte Szenen, in denen sich besonders Franz als skurriler, lakonischer Typ kräftig in Szene setzt. Die Dialoge bleiben unterhaltsam, kippen auch selten ab ins Betulich-Belehrende, und über diese groteske Komödie um die Angst vor allzuviel Bindung und Nähe läßt sich im Nachhinein trefflich schwadronieren. Die Leichtigkeit Rohmerscher Dialoge und die solches unterstützende Kargheit der eigentlichen filmischen Mittel gelingt Thome aber nur selten. Die lockere, duftige Komödie stürzt außerdem mit dem erwähnten Flugzeug, in dem das befreundete Ehepaar zu Tode kommt, ab ins neo-moderne Lehrstück, das nach großer Exposition mit eher schlichtem Happy-End und ebensolcher Pointe aufwartet. Am Ende bleibt das Gefühl, eine streckenweise glänzende Stilübung gesehen zu haben, nur welche "Form der Liebe" dieser erste Teil der angekündigten Trilogie den Zuschauern wirklich näherbringen wollte, das bleibt einigermaßen schleierhaft. Oder ging es doch nur um die Freuden des Mikroskopierens und der Aquaristik?