Marseille
Zwischen den Orten
Die Filme von Angela Schanelec sind Erkundungsgänge durch eine Gegenwart, die sich nur in vagen Ausschnitten einfangen lässt. Distanziert schaut sie ihren Figuren über die Schulter, schlendert mit ihnen an den Optionen ihres Alltags entlang und begleitet sie bei all den abgebrochenen Verrichtungen oder verschobenen Entscheidungen. Denn Schanelecs Figuren befinden sich in einem unaufhörlichen "Dazwischen". Zwischen bewegten Hintergründen und statischen Vordergründen, zwischen Ankommen und Abfahren, zwischen zwei Menschen oder zwei Orten. In "Marseille" fahndet die melancholische Heldin Sophie (Maren Eggert) im Ungenauen nach Halt und Bestätigung. Mit ihren Fotografien von Straßen und Plätzen kartografiert sie Licht, Fremdheit und Erinnerung. Sie sind ihr Kommentar zu dem, was war. Ein Wohnungstausch bringt Sophie von Berlin nach Marseille und eine Weile weg von ihren Freunden und deren Beziehungskater. Man erfährt nur wenig über Sophie. Etwa, dass sie keine Gefühlsausbrüche, keine herbeigespielten Krisen mag und dass sie nicht aufhören kann mit dem, was sie gerade macht. Egal, ob es ums Schlafen geht, ums Trinken oder das Pendeln zwischen Städten und Begegnungen.
Angela Schanelecs eigensinniger Realismus inspiziert vor allem das Nebensächliche. Das Spiel von Licht und Schatten im Gesicht einer Spaziergängerin, die Auslassungen in einem Gespräch oder die falschen Töne darin. So flaniert "Marseille" zwischen Zuschauen und Beschreiben und findet sich doch mit all seinen unabsehbaren Wendungen ganz plötzlich in einer Erzählung wieder.
Quelle: Christian Buß, Birgit Glombitza (Red.): "Deutschland, revisited". (Katalog zur gleichnamigen Retrospektive im Kommunalen Kino Metropolis Mai - Juli 2004). Hamburg: Kinemathek Hamburg e.V., 2004