Taxi zum Klo

BR Deutschland 1980 Spielfilm

Taxi zum Klo


Josef Nagel, epd Film, Nr. 3, Februar 1981

"Wollen Sie mich auf meinen Streifzügen begleiten" fragt zu Beginn des Films eine Stimme aus dem Off. Peggy, am Tage Lehrer einer Grundschulklasse, schlägt es am Morgen die eigene Wohnungstür zu, als er die Zeitung seiner Nachbarin klauen will. Wie er doch wieder über den Balkon in die Wohnung zurückkommt, das spielt er den Kindern in der Schule mittels einer kleinen Pantomime vor, die anschließend ihre eigenen Erlebnisse von einem Glücksfall erzählen. Mit den Schulheften verzieht sich Peggy alias Frank in eine öffentliche Toilette für Männer, wo er seine Freundschaften und Abenteuer sucht. Doch seine Homosexualität wird im Kreise seiner Lehrerkollegen, beim sonntäglichen Kegelabend toleriert, auch wenn darüber etwas gemunkelt wird. – Auf der Autofahrt durch die nächtlichen Straßen von Berlin träumt Frank vom Wochenende, von aufmunternden Stunden, um dem alltäglichen Streß zu entgehen. Da trifft er Bernd, der gerade seinen Kinokiosk zumachen will; sie verständigen sich mit Blicken, man fährt gemeinsam nach Hause. Frank, der gerne ausgeht, neue Bekanntschaften sucht, und Bernd, eher schüchtern, zurückhaltend, die äußerlich passivere Rolle dieser Beziehung zwischen den beiden Männern spielend, verbringen eine zufriedene Nacht miteinander; sie bleiben zusammen.

Sprachwitz, Ironie und eine erfrischende Szenenkomik täuschen aber in keinem Augenblick über die drohenden Schwierigkeiten, die gegenseitigen Machtverhältnisse und Mißverständnisse hinweg: So erzählt der Film eigentlich eine ganz neutrale, zutiefst menschliche Geschichte, die einer Liebesbeziehung zwischen zwei Männern, angesiedelt in der Schwulenszene. Da gibt es Eifersucht von Bernd wegen Franks vieler Kontakte, Zank wegen der ständigen Fürsorge, der heimeligen Atmosphäre. Bernd schwärmt vom glücklichen Landleben zu zweit, Frank möchte lieber seine Ideen in der Stadt verwirklichen. Schließlich kündigt der häusliche Bernd dem abenteuerlustig umherschweifenden Frank die Freundschaft auf, beide gehen wieder auseinander. Und als Frank sich überlegt, ob er dem einstigen Partner einen Brief schreiben soll, stellt er sich am Ende selbst die Frage: "Können wir mehr, als uns nur wiederholen?"



Frank Ripploh, Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller dieses autobiographischen Films, setzt sich hier auch mit dem Vorurteil gegen die Homosexualität auseinander. Er kontrastiert einen eingeblendeten Streifen über die Verführung Minderjähriger mit der Situation im eigenen Zimmer, wo ein Schuljunge ihn reizen möchte. – Über den Fernseher wird dann auch heterosexuelle Ausbeutung, Vergesellschaftung von Menschen dokumentiert, ein Problembereich, der genauso zur Diskussion über die Homosexualität gehört.

Einen wichtigen Aspekt drängt der Film aber dennoch in den Hintergrund: Wer wagt es, so frei und ungezwungen, wie Ripploh es hier tut, seine geschlechtliche Andersartigkeit zu vertreten? Sind es nicht doch in der Hauptsache die eh schon Emanzipierten, die Durchblicker, Aussteiger gewissermaßen? Denn diejenigen, die sich nicht so gut auskennen in unserer Gesellschaft, die irgendwie dahinleben, werden nicht annähernd jene ästhetisch vorgestellte und sehnsüchtig machende Gemeinschaft erfahren. Über diesen auch vorhandenen Mißstand schweigt Ripplohs Film meist. Da helfen auch die geschickt und sinnvoll montierten Collagen unter den alltäglichen Problemen und Gesprächen mit Freunden und Kollegen wenig: Der im Wohnzimmer für 25.000 DM eingesperrten Lehrerin werden sexuelle Phantasien und Wunschvorstellungen Franks gegenübergestellt; beide wünschen ihre Träume in die Wirklichkeit umzusetzen, doch sie scheitern.

In seinem ersten Spielfilm, einer Produktion mit Minimal-Budget (unter 100.000 DM), versucht der ehemalige Hauptschullehrer Frank Ripploh, der sich freimütig zu seiner Homosexualität bekennt, in autobiographischen Szenen eine "Liebesgeschichte zwischen Männern" zu beschreiben. Er verarbeitet dabei auch seine eigenen intimen Ängste und Sorgen, wie sie sich nicht nur aus einer problematischen homosexuellen Beziehung, sondern aus jeder anderen menschlichen Gemeinschaft ergeben. Mögen auch einige Intimszenen provokativ und sogar ästhetisch abstoßend wirken – das wird aufgewogen durch andere äußerst witzige und humorvolle Sequenzen. Im ganzen gesehen muß man diesen Film ernst nehmen, er kann einer gründlichen Diskussion über das angeschnittene Problem durchaus als Anregung und Grundlage dienen


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