Die Brüder Schellenberg

Deutschland 1925/1926 Spielfilm

Zusammenarbeit mit Karl Grune


Willy Haas, Film-Kurier, Nr. 218, 16.9.1925


(Willy Haas hat mit Karl Grune das Drehbuch zu "Die Brüder Schellenberg" verfasst, Anm. d. Red.)

"Deine Worte seien Ja, ja, nein, nein; was darüber ist, das ist vom Übel."

Karl Grune hat etwas an sich von der großartigen Gradheit und Einfachheit eines alten Bibelspruches. Wenn man ihn in seinem großen Gemüsegarten zwischen Kartoffeln und Kohlrüben hacken und graben sieht, in Hemdärmeln, mit offener Brust, Gesicht und Körper ziegelrot verbrannt von der Sonne: dann könnte man ihn trotz des städtischen Knickerbockers für einen Bauern halten, für den Abkömmling irgendeiner alten Bauernfamilie, die seit Jahrhunderten auf ihrem Grund und Boden sitzt, wie der "Müller" seines großkonzipierten visionären Filmentwurfes, "Am Rande der Welt", das er seit vielen Jahren in sich reisen läßt, und das noch viele Jahre wird warten müssen, bevor sich ein Industrieller zu seiner Verwirklichung findet.

Und was Bäurisches ist auch in seinen Worten und in seiner Art zu arbeiten.

Er spricht wenig, langsam, mit langen Gedankenpausen. Er denkt langsam und solide. Er hat Zeit: denn er kennt seine Ziele. Inmitten des knatternden, polternden, nervenzerrüttenden Trubels, in seinem heißesten Zentrum, am Potsdamer Platz, gibt es etwas, was fast ein Wunder ist: einen Bureauraum, der von der Atmosphäre ruhiger, unbeirrbarer Festigkeit durchströmt ist: Grunes Bureauzimmer im Ufahaus. Er hat heute fünfhundert Gesichter gesehen: er besetzt jede Komparsenrolle persönlich. Er ist todmüde. Aber er ist bereit, zwei Stunden lang über eine kleine Szene des Manuskriptes, die geändert werden soll, zu diskutieren, und seine Worte sind wieder so einfach, so ruhig, so zielsicher, so unnervös wie im Schatten der alten Eichen an seinen ländlichen Grundstück. Er hat Vertrauen zu sich; und nach fünf Minuten hat jedermann Vertrauen zu ihm, zu seinem künstlerischen Willen und Können. Hätte er es auch dann, wenn er nicht wüßte, daß er dem Regisseur der "Straße" und der "Schlagenden Wetter" gegenübersitzt. (...)

Wie alle wahrhaft konsequenten Menschen, ist er äußerlich manchmal inkonsequent. Er läßt sich niemals überreden; aber nicht selten überzeugen. Man schlägt ihm eine Szene vor. Er sieht sie noch nicht. Er verwirft sie. Der Autor aber sieht sie im Laufe des Tages immer deutlicher vor sich. Am nächsten Morgen kann er sie ihm vorspielen; natürlich ungeschickt und dilettantisch, aber doch. Grune überlegt fünf Minuten, zehn Minuten. Dann korrigiert er die und jene unwahre Nüance – und akzeptiert das Übrige. Ich habe das Gefühl, daß ich überhaupt erst bei Grune eine Szene durch und durch wahr zu formen gelernt habe, soweit meine bildnerisch-mimischen Fähigkeiten überhaupt reichen.

Stundenlang könnte ich noch von dem Privatmenschen Grune sprechen: von seinem reinem Lachen, das wie klares Gebirgswasser rieselt und schäumt. Von seinen klugen, wahren und einfachen Lebensregeln. Von seiner rührenden Liebe zu Tieren, von seiner rührenden Dankbarkeit zu Menschen, die ihm wohltun. Aber man würde diesen Menschen, dessen Privatleben sich in streng abgeschlossener Anonymität abspielt, nicht angemessen ehren, wenn man allzuviel von seiner Privatperson spräche.

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