Credits
Regie
Drehbuch
Kamera
Schnitt
Musik
Darsteller
- Alte Malerin
- 50 Jahre alte Frau
Produktionsfirma
Alle Credits
Regie
Drehbuch
Vorlage
Dramaturgie
Kamera
Schnitt
Ton
Musik
Darsteller
- Alte Malerin
- 50 Jahre alte Frau
Produktionsfirma
im Auftrag von
Länge:
54 min
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:
Uraufführung (DD): 31.10.1980
Titel
- Originaltitel (DD) Heute abend und morgen früh
Fassungen
Original
Länge:
54 min
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:
Uraufführung (DD): 31.10.1980
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Die Ärztin, vom Hausmeister (Kurt Heinicke) ermahnt, kein Ferngespräch zu führen, da die letzte Telefonrechnung sehr hoch gewesen sei, ruft vergeblich daheim an: noch niemand da. Also bleibt Zeit, durchs Scheunenviertel zu bummeln, wo sie in der Auguststraße von einem offenbar westdeutschen Mercedes-Fahrer angesprochen und zum Kaffee eingeladen wird. Was sie natürlich ablehnt und ihn auf die Friedrichstraße verweist. An heruntergekommenen Häusern mit verblichenen Werbeaufschriften noch aus der Vorkriegszeit vorbei betritt sie in einen Verkaufsladen für Obst, Gemüse und Konserven, wo die Verkäuferin (Heide Hallmann) von einem jungen Kriminalpolizisten (Johannes Berger) nach einer Frau aus dem Kiez befragt wird.
Am S-Bahnhof Marx-Engels-Platz (heute Hackescher Markt) schleckt sie ein Eis und wird erneut von einem Mann (Otto Emmersleben) angesprochen. Im Bahnhof Alexanderplatz überprüft sie ihr Gewicht (Mann an der Waage: Hugo Mast), bevor sie an einem Keramikstand von einem englischsprachigen Touristen (der US-amerikanische Tenor John Moulson von der Komischen Oper Berlin) einen Gartenzwerg geschenkt bekommt. Dann wandert ihr Blick hinauf zu einem vielstöckigen Wohnkomplex: kein Licht am Balkonfenster zu sehen. Weshalb noch Zeit bleibt für den Besuch einer Markthalle, in der sie sich kurz vor Toresschluss mit einer aus Hinterpommern stammenden Gemüseverkäuferin (Berta Gumnoltz) über plattdeutsche Sprachformen dieses nach 1945 zu Polen gehörenden Gebietes Westpreußens austauscht – ein absoluter Tabubruch in der DDR.
„Geschlossene Gesellschaft“: Schließlich lässt sie sich noch überreden, an einer Vernissage im „Haus der ungarischen Kultur“ teilzunehmen, wo man die Ärztin mit einer Ost-Berliner Malerin verwechselt (köstliche Szene mit zwei betagten Künstlerinnen: Gertrud „Trude“ Bechmann und Charlotte Pauly). Nach einer unfreiwillig komischen Begegnung mit dem Hund einer Ausstellungs-Besucherin (Barbara Schnitzler), der nach den ersten Tönen einer Budapester Kammersängerin das Weite sucht, nimmt sie im Hochhauskomplex gegenüber einen Lichtschein hinter ihrem Wohnungsfenster wahr – und öffnet am Eingang erst einmal die Tür für eine größere Gruppe junger Leute. Zum Ärger einer älteren Nachbarin (Hanna Rieger), welche um ihre abendliche Ruhe fürchtet. Was nicht ganz unbegründet erscheint, begegnet die Ärztin auf ihrem langen, vielfach verschachtelten Weg durch diesen Platten-Neubau doch einem Grüppchen junger Leute, dass offenbar eine Nische gefunden hat, um sich ungestört treffen zu können.
Wer ihr die eigene Wohnungstür öffnete, hat Kameramann Jürgen Lenz nicht eingefangen. Am anderen Morgen aber liegt Frau Doktor mit ihrem Gatten (Rolf Hoppe) im Bett. Beide haben offenbar frei und wollen den Tag genießen, nachdem ihr Sohn (Mike Lindner) zum Schulbesuch das Haus verlassen hat – auf den letzten Drücker zum obligatorischen Schulhof-Appell, nachdem Muttern noch den Jeans-Reißverschluss nähen und das Frühstück zubereiten musste. Als der Sprössling gegen Mittag zurückkehrt, sitzen die Eltern immer noch am Frühstückstisch – und zeigen keinen Tatendrang für gemeinsame Unternehmungen. Nur der Gartenzwerg hat die munteren Szenen einer Ehe ohne zeitlichen Druck nicht überlebt…
Beim Diplom-Film Dietmar Hochmuths am Vsesoyuznyj Gosudarstvennyj Institut Kinematografii (VGIK), dem Staatlichen Allunionsinstitut für Kinematographie der UdSSR in Moskau, handelt es sich um die gut fünfzigminütige Adaption zweier Erzählungen aus dem 1975 im Aufbau-Verlag erschienenen Band „Lauter Leben“, dem schriftstellerischen Debüt der damals 35-jährigen klinischen Psychologin Helga Schubert, die in diesem Beruf noch bis 1987 gearbeitet hat, bevor sie sich ganz ihrer künstlerischen Profession widmete. „Die Ausnahme“ und „Heute Abend und morgen früh“ gehören zu insgesamt 31 zumeist melancholischen Geschichten über die Sehnsüchte alleinstehender und verheirateter Frauen aus dem Bekannten- und Freundeskreis der Autorin. Die Dichterin Sarah Kirsch im Nachwort über Helga Schubert: „Und sie ermuntert uns: eher lassen wir uns vom Donner erschmeißen, bevor wir uns mit Verhältnissen begnügen, die nicht menschlich sind.“ Nachdem Sarah Kirsch ein Jahr später in Folge der Biermann-Ausbürgerung in den Westen ging, hat der Aufbau-Verlag das Nachwort aus den weiteren Auflagen des populären Erzählbandes gestrichen.
Dietmar Hochmuths von der Defa-Gruppe Roter Kreis (PL Dorothea Hildebrandt) für das Fernsehen der DDR produzierter Schwarzweiß-Film ist nur ein einziges Mal (halb-) öffentlich gezeigt worden: am 14. März 1980 im Rahmen der Reihe „ad hoc“ im Treptower Astra-Kino. Bereits 1979 war er in den Adlershofer Giftschrank verbannt worden: „Man kreidete mir an, die bröckeligen, noch mit vielen Einschusslöchern aus dem Zweiten Weltkrieg versehenen Häuserfassaden zu zeigen“, bekundete der Regisseur der „Berliner Zeitung“ (vom 12. Januar 2021). Nach der Wende galt „heute abend und morgen früh“ (Originaltitel in Kleinschreibung) als verschollen, bis Dietmar Hochmuth 2013 eine Kopie an „seiner“ Moskauer Hochschule entdeckte. Sie ist inzwischen mit Bundesmitteln digitalisiert worden.
Pitt Herrmann