Inhalt
Film nach Motiven der so genannten "Steglitzer Schülertragödie", die sich 1927 in Berlin ereignete und großes Aufsehen erregte.
Günther und Paul sind 19 Jahre alt. Die beiden Freunde wollen alles, ohne Halbheiten, ohne Kompromisse. Ihr Ideal ist das vollkommene Glück, die absolute Liebe, und mit weniger wollen sie sich niemals zufrieden geben. Gemeinsam mit Günthers Schwester Hilde verbringen sie das Wochenende in einem Sommerhaus auf dem Land. Paul ist sofort von Hilde angezogen und verliebt sich in sie. Zunächst glaubt Paul, sie erwidere seine Gefühle, doch Hilde lässt sich nicht auf einen Mann, eine Beziehung festlegen – sie liebt viele. Heimlich trifft sie Hans, der Günthers Liebhaber war. Als sie im Garten des Hauses ein großes, rauschendes Fest feiern, taucht überraschend Hans auf und bringt eine Entwicklung in Gang, die innerhalb von Stunden außer Kontrolle gerät. Die von Absinth und Musik, von ihrer Sehnsucht und Lebensgier Berauschten werden in einen tödlichen Strudel gerissen.
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Paul und Günther gründen, auch aus Lebensüberdruss, einen Selbstmörderclub. Dessen Statut fordert den Freitod, sobald einer den höchsten Punkt im Leben erfährt, und zugleich die Rache an dem, der diesem Glück im Wege steht. Als Günther einmal mehr Zeuge wird, wie sich seine lebenslustige Schwester Hilde, die sich von keinem Mann allein vereinnahmen lassen will, dem „rohen“ Hans hingibt statt die Liebe seines Freundes Paul zu erwidern, bringt er zunächst Hans und dann sich selbst um.
Bei der aufsehenerregenden Gerichtsverhandlung kommt Paul glimpflich davon: Er wird von dem Vorwurf der Mittäterschaft befreit und nur wegen illegalen Waffenbesitzes verurteilt. Erst im Verhandlungssaal kommen Hilde, die die Tragweite ihres Handelns zu spät erkannt hat, Tränen. Zu spät – auch für Elli, die vergeblich Paul liebt: Dieser lässt sie, wieder in die Freiheit entlassen, am Eingang des Justizgebäudes einfach stehen…
Der historische Paul Krantz ist später Schriftsteller geworden unter dem Pseudonym Erich Noth („Die Mietskaserne“, „Erinnerungen eines Deutschen“). Er floh 1933 vor den Nazis erst nach Frankreich und dann in die USA und kehrte erst 1971 nach Deutschland zurück, wo er als Professor an der Frankfurter Uni tätig war. Er starb 1983.
Arno Meyer zu Küingsdorf hat den authentischen Kriminalfall, der als „Steglitzer Schülertragödie“ in die Berliner Polizeigeschichte einging, 1927 zu dem Roman „Der Selbstmörder-Klub“ verdichtet. Der Stoff reizte Regisseure bereits 1929 (Carl Boeses „Geschminkte Jugend“) und 1960 (Max Nossecks Remake konnte erst 1988 öffentlich gezeigt werden) zu Verfilmungen, Achim von Borries‘ Version ist nun der dritte Anlauf. Die Bilder der Kamerafrau Jutta Pohlmann fangen zwar ein Zeitbild der 1920er Jahre ein, doch in erster Linie ist ein Film über das Jungsein, über das Gefühl der Jugend entstanden, das Johann Wolfgang von Goethe mit „Jene Trunkenheit ohne Wein“ umschrieb und das zeitlos erscheint.
Weshalb Achim von Borries die gesellschaftlichen Unterschiede der Protagonisten auch nur sehr am Rande interessierte: Hier das Proletarierkind Paul Krantz, das als Außenseiter in der gutbürgerlichen West-Berliner Jugendclique poetischen Träumen und schriftstellerischen Ambitionen nachhängt, dort das verwöhnte, draufgängerische Bürgersöhnchen Günther Scheller, das sich in homoerotischer Liebe zu Hans verzehrt. Zwei rebellische, kompromisslose Abiturienten, die sich bürgerlichen Konventionen entgegenstellen – freilich aus diametral entgegengesetzten (Hinter-) Gründen.
Auf der einen Seite die lebenslustige und nicht minder verwöhnte Bürgertochter Hilde Krantz, Günthers Schwester, die sich von Paul umschwärmen lässt, letztlich aber nicht nur die kräftigen Arme von Hans vorzieht, auf der anderen Seite der selbstverliebte bisexuelle Proletarier Hans. Der Kochlehrling mag es sich weder mit Günther noch mit dessen bourgeoiser Schwester Hilde verderben.
Schließlich Elli, paradigmatisches Beispiel einer wohlbehüteten Tochter aus gutbürgerlichem Steglitzer Haus: Sie liebt den nur ökonomisch minderbemittelten Paul, unternimmt aber nur linkische Versuche, dieser Liebe Aus- und Nachdruck zu verleihen. Und steht stets am Mauerblümchen-Rande (was bei einer Jana Pallaske freilich nur schwer vorstellbar ist). Dennoch ist Achim von Borries in seinem nach „England!“ zweiten Spielfilm ein Film gelungen, dessen Bilder noch lange nachwirken. Was vor allem Daniel Brühl und August Diehl zu danken ist: Sie machen den historischen Stoff zu einer zeitlos-aktuellen Geschichte über die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens.
Pitt Herrmann