Lucrezia Borgia
Die Borgia-Schlacht in Tempelhof (Drehbericht)
M–s., Film-Kurier, Nr. 135, 17.6.1922
In Tempelhof haben am Freitag die Aufnahmen zum Schlußakt des Richard-Oswald-Großfilms "Lucrezia Borgia" begonnen, in dem hauptsächlich der Kampf um die Burg von Pesaro und ihre schließliche Erstürmung gezeigt wird.
Von Robert Neppach ist eine Burg erbaut worden, die eines der machtvollsten Filmbauwerke der letzten Zeit darstellt. Von dem Turm in der Mitte weht das Banner der Sforza, auf den Zinnen rechts und links vom Turm drängen sich Soldaten, den Ansturm der Söldner des Borgia erwartend. Und nun beginnt der Sturm. Zunächst wird die Reiterei eingesetzt. Mit den Regeln der Strategie steht diese Regieanordnung nicht in Einklang, aber immerhin ist das Bild, das auf diese Weise gewonnen wird, von starkem, malerischen Reiz. Dahinter das Fußvolk, wie ein Körper, der von einem Willen gelenkt wird, vom Willen Cäsare Borgias (Conrad Veidt), der inmitten der Schlacht mit der ehernen Ruhe des Feldherrn von Geblüt unbeweglich von erhöhtem Standort aus den Gang des Kampfes verfolgt. Aber mit so großer Wucht seine Söldner auch anrennen, die Truppen Sforzas weisen ihren Ansturm ab. In regellosem Durcheinander fluten die Truppen Cäsares zurück, zahlreiche Tote auf der Schlachtstätte lassend. Verzweifelt schwenkt Sebastiano, Borgias Gefährte (Heinrich George), die Fahne. Die Soldaten sind nur von einem Trieb beseelt: den mörderischen Geschossen der Mannen des Sforza zu entfliehen. Wohl sind auch von den Verteidigern der Burg viele durch die Geschosse der Gegner von den Zinnen der Burg heruntergeschossen worden (was sehr geschickt durch ausgestopfte Puppen markiert wird), aber dieses Mal ist der feindliche Ansturm noch siegreich abgewehrt.
Die ganze Szene war eine virtuose Regieleistung Richard Oswalds. Er zeigte darin, daß er das Instrument, das die Masse für einen Regisseur darstellt, mit überlegener Technik zu meistern weiß. Jedenfalls kann heute schon gesagt werden, daß dieser Oswald-Film eine Fülle von neuen Filmproblemen zur Diskussion stellen dürfte. Denn das ist die Stärke dieses Regisseurs, daß alles, was er bietet, in irgendeiner Weise interessiert. Man mag sich kritisch mit seinen Filmen auseinandersetzen, aber man wird nicht gleichgültig an ihnen vorübergehen. – Von bekannten Persönlichkeiten bemerkte man den Reichsminister des Innern Dr. Köster, Reichspräsident Loebe mit seiner Gattin, sowie Maxim Gorki mit seiner Frau, die Leiterin der Finanzlichen Filmstelle in Sowjet-Rußland ist.