Solo Sunny

DDR 1978-1980 Spielfilm

Ein merkwürdiger Film

Klaus Wischnewski, Film und Fernsehen, Berlin/DDR, Nr. 2, 1980

Er erzählt eine scheinbar banale Kinostory, den Roman einer kleinen Schlagersängerin zwischen Hinterhof und dem Scheinwerferlicht kümmerlicher oder prätentiöser Dorf- und Kleinstadtsäle, zwischen Berufsehrgeiz, der sich nicht erfüllt, und Liebe, die "nicht geht", zwischen Eifersucht und Selbstmordversuch. Schließlich ein Neubeginn, ein leises Happy-End, so wie auch das Drama vorher immer leise bleibt, ohne laute Ausbrüche und Anklagen, heftige Zusammenstöße, große Schuld und harte Sühne. Aber: Es zeigt sich – wieder einmal –, daß die klischeeverdächtigen Elemente konventioneller Kintopp-Konstruktionen durchaus Wurzeln im alltäglichen Leben haben, in den Erfahrungen, Enttäuschungen und Hoffnungen des Volkes, sprich: der Vielen einzelnen. Was da vom Kommerzfilm zu Limonade verdünnt und am Fließband auf Flaschen abgefüllt wird, taugt zu ganz anderem!

Denn, der Traum dieser Ingrid! Sommer, genannt Sonny, vom Schlager-Solo ist mehr als nur der Ehrgeiz, Rampenlicht-Star zu werden. Ihr Satz: "Man muß doch auch eine Persönlichkeit sein, ohne berühmt zu sein", ist ehrlich, nicht resignativ, ist total, nicht partiell gemeint. Nicht Ehrgeiz – Sehnsucht ist das richtige Wort, Sehnsucht, die sich ja oft im Leben zunächst wie Ehrgeiz artikuliert. Normale Sehnsucht nach ganz Normalem: "Ich muß wissen, daß die Leute mich wollen." Mich wollen, das heißt vor allem: mich wollen, so wie ich bin, sein kann und werden will.

Das "Solo", immer konkret bleibendes Motiv, entpuppt sich unter der Hand zugleich als Metapher für die Suche nach Individualität und Identität. Jeder Mensch will und braucht sein "Solo". (…)

Der Film hat eine wunderbare Leichtigkeit und ist doch gewiß kein "leichter" Film. Er bezwingt den Zuschauer nicht durch Spannung, Dramatik, er zieht ihn an und hinein in die Geschicke der Menschen, läßt ihm aber dabei die volle Freiheit künstlerischen Genusses, der Betrachtung, Entdeckung, des eigenen Empfindens. Er ist und stimmt traurig – und ganz heiter. Das Lächeln, das er auslöst, ist schmerzlich und versöhnlich, manchmal – angesichts der verschiedenen Männer um Sunny – mitleidig, sarkastisch, nie herablassend, ironisch oder schadenfroh. Sunny erreicht nichts – "nur" viele Erfahrungen, die sie dennoch nicht umbringen. Sie hat wenig Glück, aber man wünscht ihr viel davon und nimmt diesen Impuls mit. Bitterkeit, Verletzungen, Gleichgültigkeit, Brutalität, die Sunny erfährt, sind um so bestürzender, je alltäglicher, je zwangsläufiger, unvermeidlicher sie erscheinen. Die Geschichte ist kritisch in dem Sinne, wie es überhaupt keinen Realismus ohne kritische Erfahrung und Sicht gibt, wie andererseits realer Optimismus nur daraus entstehen kann. Sie ist – auch im Detail – frei von jenem fatalen Krampf der Reduktion auf einen kritischen oder optimistischen Zweck, der die Kunst tötet. Der Zweck einer Geschichte ist die Geschichte selbst. Sie erweist ihren Wert in dem, was sie aus sich an Genuß und Entdeckung, kritischer Besinnung und aktivierender Bestätigung hergibt. Und das ist in diesem Fall nicht wenig.

Das alles sind Wesensmerkmale Kohlhaasescher Lebenssicht, -erfahrung und Erzählweise: abstinent gegen äußerliche Dramatisierung, die der immanenten Kraft des Materials mißtraut, sich dem Leser oder Zuschauer aufdrängt; behutsam, aber nicht vorsichtig, leise, aber nicht leisetreterisch, leicht, aber nicht leichtfertig und – nicht leicht fertig. Was da so lakonisch, so natürlich erscheint, dürfte gründlich und gewiß auch schwer erarbeitet sein. Und auch das gehört zum Kunstgenuß: Man spürt weder Absicht noch Anstrengung und wird also nicht verstimmt.

 

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