Die Augen der Mumie Mâ
Wiedersehen mit alten Filmen
Kinematograph, Berlin, Nr. 164, 25.8.1933
Im Spielplan der Kamera, Unter den Linden, sind jetzt zwei Filme zu sehen, die ihrer Entstehungszeit nach zu den historischen Filmen zählen.
Der eine ist der schwedische, von Mauritz Stiller inszenierte Lustspiel-Film "Erotikon", der zur Zeit seines Erscheinens einen Riesenerfolg hatte. Mutet uns heute natürlich auch vieles in Darstellung und Aufnahmetechnik primitiv an, so ist doch auch heute noch unverkennbar, daß hier ein Regisseur am Werke war, dessen Streben danach ging, das Filmlustspiel aus den Niederungen, in denen es sich bewegte, herauszubringen. Tatsächlich ist ja auch die Lustspieltechnik, die Mauritz Stiller in "Erotikon" anwandte, für die Entwicklung des Filmlustspiels wegweisend geworden.
Die zweite Novität ist ein Film, der einige Jahre vor "Erotikon" hergestellt wurde, das von Hannes Kräly und Emil Rameau verfaßte "Filmdrama" "Die Augen der Mumie Ma", der erste Regieversuch Ernst Lubitschs auf dem Gebiete des dramatischen Films.
Es geht in diesem Film, dessen Außenaufnahmen in den Rüdersdorfer Kalkbergen in der Gegend des Krämersees gedreht wurden, wahrhaft dramatisch zu. Übrigens – die Wüstenillusion wurde ganz glaubhaft erzielt, Emil Jannnigs spielt einen Schwarzen mit Wollperücke, rollt schreckerregend die Augen, zückt ein Brotmesser von gewaltiger Dimension und bewährt sich beim Übersteigen eines immerhin einen Meter hohen Gartentores zum johlenden Vergnügen des heutigen Publikums auch als "Sensationsdarsteller". Pola Negri, damals noch unbekannt, ist die dunkle Schönheit Ma. – Übrigens ist Apollonia Chalupek, wie Pola Negri wirklich heißt, nie unter dem Namen "Paula Schwarz" aufgetreten.
Der jugendliche Liebhaber des Films, in dem es pikfein hergeht (ein Fürst Hohenfels kommt auch vor) war der schlanke, schmalgesichtige Harry Liedtke. Von heute bekannten Darstellern wirkt noch Margarete Kupfer mit.
Natürlich lachen wir heute über die Fahrigkeit übertriebener Gesten und über den Stand der "Ausstattung". Unverkennbar wurden aber gerade bei den Außenaufnahmen in der Nähe Berlins Wirkungen erzielt, wie sie später bei Auslandsexpeditionen oft auch nicht stärker waren.
Das Publikum der Kamera, von historischen Reminiszenzen unbeschwert, nahm das ganze als köstlichen Jux.
Daß die Begleitmusik zu "Mumie Ma" zum großen Teil parodistisch gehalten ist, erscheint uns nicht richtig.
Will man einen filmhistorischen Rückblick geben, kommt durch dieses parodierende Element ein falscher Klang in das Ganze. Die Musik müßte so dramatisch sein, wie der Film in seiner Entstehungszeit gedacht und gewollt war. –
Sonst aber – eine verdienstvolle Tat der Kamera, uns die beiden Filme wieder zu zeigen.