Die Terroristen!

Deutschland 1991/1992 Spielfilm

Bomben für den Kanzler

Einem empörten Brief des Oggersheimers Helmut Kohl ist die Berliner Kino-Aufführung von Philip Grönings "Die Terroristen!" zu verdanken



Andre Simonoviescz, TIP Magazin, Nr. 26, 1992

Bei den Filmfestspielen in Locarno wurde Philip Grönings "Die Terroristen!" dieses Jahr mit einem Bronzenen Leopard ausgezeichnet (TIP 18/92).Der Film erzählt die Geschichte dreier Terroristen, die im Jahre des Wiedervereinigungsrausches vergeblich versuchen, Bundeskanzler Kohl mit in einer in einem Spielzeugauto installierten Bombe umzubringen. Der Attentatsversuch auf den Kanzler ist so absurd und unrealistisch, daß sich, so Gröning, "die Polizei darüber totlachen würde". Selbstverständlich hat der Regisseur den Film von seinem Anwalt absegnen lassen.

Gröning macht sich über Terroristen, Kanzler und Staatsvolk gleichermaßen lustig, und zwar so, daß man lachen muß - eine Ausnahmereaktion im deutschen Kino. Doch diese Republik ist ein seltsames Land. Das Morden und Brandschatzen der Neo-Nazis wird von einer hysterischen Suche nach dem linken "Terror"" begleitet. Nichts ist der Regierung in Bonn zu schäbig oder zu unbedeutend, um nicht als These für die Gefährlichkeit der Linken mißbraucht zu werden. Nachdem der Südwestfunk am 23.11. "Die Terroristen!" ausgestrahlt hatte, schrieb Bundeskanzler Kohl einen offenen Brief an den Rundfunkratsvorsitzenden des SWF, in den er seinen Gefühlen Mitleid erheischend freien Lauf ließ: "Für mich und meine Familie ist die Sendung dieses Films bei allem gebotenen Respekt gegenüber der Freiheit der Medien, der Kunst und der Kultur, ein unerträglicher Vorgang, der uns auch menschlich stark belastet."

Kohl hat den gesamten Film übrigens nie gesehen, ein Herr Ackermann vom Kanzleramt hat ihm ein paar Ausschnitte vorgeführt. Trotzdem beendete der Kanzler seinen Brief an den Rundfunkratsvorsitzenden, mit grobem Geschütz: "Diesen Brief richte ich an Sie, und nicht an den Intendanten, da ich nach der Entscheidung, den Film auszustrahlen, kein Vertrauen mehr in die Leitung des Südwestfunks besitze." Die Perfidität dieses Angriffs ist typisch für Kohl und seinen Regierungsstil: Wenn man juristisch im Unrecht ist, wird unter die Gürtellinie geschlagen. Die Familie ist belastet! Wieder ein Beweis für die Gefährlichkeit dieser Linken.



Gröning zeigt einerseits Verständnis für den Kanzler: "Ich verstehe, daß er und seine Familie sich durch den Film verunsichert fühlen. Und weil er solange in dieser Angst vor Terroristen lebt, versteht er den Film nur selektiv, vor allem, weil er ihm ja auch nur selektiv vorgeführt worden ist. Diese private Betroffenheit ist sein gutes Recht, aber gerade darum wünsche ich mir, daß er sich den gesamten Film ansieht, denn das würde ihn beruhigen, weil er sehen würde, daß seine Reaktion unangemessen ist." Andererseits ist der Filmemacher aber auch entsetzt: "Mir hat es Angst gemacht, wie der Mann mit Macht umgeht. Weil sich seine Familie betroffen fühlt, läßt er den Film ansehen, und dann setzt er alles in Bewegung, um Ausdrucksmöglichkeiten zu begrenzen. Und zwar wohl wissend, daß er sich als Kanzler dazu nicht äußern könnte, weil es ein Verstoß gegen die Medienfreiheit wäre. Also äußert er sich in der Zwitterstellung von Privatperson/Politiker, obwohl man das nicht nennen kann. Ich wußte schon, daß auf die Rhetorik der Linken stärker reagiert wird als auf das Totschlagen der Rechten, aber wenn es einem dann so konkret passiert, ist es ein bißchen beängstigend. Das ist Kohls Wahnidee: Daß die Gewalt von links und rechts gleich stark ist, darum muß er auf jeden Krümel linker Gewalt zeigen, um sagen zu können: "Ist ja genauso schlimm wie fünf Tote". Seine Rechnung ist eben, ein Eierwurf macht fünf Tote."

Doch der Film selbst verdient es nicht, in dieser Diskussion unterzugehen. "Die Terroristen!" zeigt Deutschland als Spielzeugland, von geldgierigen Zwergen aller Art bewohnt. Die Abwesenheit jeglicher Wertsysteme drückt sich in den Bildern vom ziellosen Amoklauf in den vorweihnachtlichen Kaufhäusern aus. Hier sind die wirklichen Terroristen am Werk. Grönings Möchtegern-Terroristen Claudia (Stephanie Philipp), Michael (Michael Schech) und Jürgen (David Baaleke) sind in Wirklichkeit lieblose (und ungeliebte) Kleinbürger, die aus. Geltungssucht in den Terrorismus fliehen.

Unfähig, eine Beziehung zu etwas anderem als Computern oder Fernsehern aufzubauen, machen sie Kohl und den Staat für etwas verantwortlich, was sie selbst repräsentieren: den absoluten Leerlauf der Gefühle. Alles dreht sich um Geld. Selbst als Kohls Mercedes das mit Sprengstoff präparierte Spielzeuggefährt zermalmt, händigt der Fahrer dem gescheiterten Attentäter Jürgen zweihundert Mark als Entschädigung aus. Und am Schluß sitzen die drei auf der Toilette und verteilen das geklaute . Geld für ihre Kleinbürgerträume. Kleine Kohls, die verteilen, was ihnen nicht gehört. Dran glauben müssen natürlich die Unbeteiligten, der Wohnungsmakler und der Mann von nebenan, der sich etwas in Claudia verliebt hat.



Dieser Umschlag totaler Orientierungslosigkeit in Gewalt ist zwangsläufig, die Zufälligkeit der Opfer genauso. Denn die Terroristen der Computergeneration haben keine Träume mehr, sie sind Eingeschlossene. In ihrer gemieteten Büroetage befinden sie sich wie die Figuren in Sartres "Geschlossene Gesellschaft" in einer permanenten Vorhölle gefühlloser Isolation.

Die Münchener "Deutschlandstiftung" hat inzwischen gegen die Verantwortlichen des SWF Strafanzeige erhoben: "Eindeutige Werbung für Haß und Mord von Terroristen." Angesichts dieser massiven Angriffe zeigt der Solidaritätsaufruf vieler bundesdeutscher Regisseure "wider den allzu persönlichen Umgang mit der Macht", daß man die Gefahr erkannt hat: ".....wenn das Bundesinnenministerium anfragen läßt, wer denn die Gelder für diesen Film bereitgestellt hat. so weisen wir das entschieden als Machtmißbrauch und als unzulässige Einmischung in die Kompetenzen demokratisch gewählter Gremien zurück."

Kohls Krokodilstränen und die Aktionen seiner Verbündeten verfolgen ein offensichtliches Ziel. Unter dem Deckmantel, Gewalt von rechts zu bekämpfen, sollen wieder einmal Zensurmaßnahmen gegen Linke eingeführt werden. Ausländer und Juden sollten sich überlegen, ob sie Helmut Kohl und die Bundesregierung angesichts der Toleranz gegen rechtsradikale Gewalttäter nicht auch verklagen sollten - wegen unterlassener Hilfeleistung oder Beihilfe zum vielfachen Mord.

Rechtsstatus