Goya

DDR UdSSR 1970/1971 Spielfilm

Inhalt

Goya ist Erster Hofmaler Karls IV. geworden. Seine Bilder zieren die Schlösser des Königs und der Granden. Aber er ist vor allem Spanier. In leidenschaftlicher Liebe fühlt er sich zu Herzogin Alba hingezogen, gleichzeitig hasst er die hochnäsige Aristokratin in ihr, die ihn nach Belieben wie einen Lakaien behandelt. Diese Widersprüche beeinflussen seine Kunst. Durch Freund Esteve erfährt er von der revolutionären Bewegung seines Volkes, begegnet der Sängerin Maria Rosario, die von der Inquisition verurteilt wird, und wird schließlich selbst Opfer der Inquisition.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Madrid, Ende des 18. Jahrhunderts. Eine Prozession mit sich geißelnden Kuttenträgern, deren nackte Oberkörper von blutigen Striemen übersät sind. Gleichzeitig herrscht Jahrmarkts-Atmosphäre mit Feuerschluckern, Tanzbären und dem Verkauf von allerlei Gerätschaften: Brot und Spiele unterm Christenkreuz. Als Hofmaler ihrer katholischen Majestäten Karl IV. und Maria Luisa von Spanien macht sich der Künstler Francisco Jose de Goya y Lucientes fein für einen Empfang. Was seinen Assistenten und engsten Freund, den verkrachten Studenten Augustin Esteve, erst zu spöttischen Bemerkungen reizt und dann zu einer Generalabrechnung: Goya blase sich wie ein Truthahn auf, putze sich wie ein Pfau und produziere als Maler lediglich Auftragskunst, die ganz zur höfischen Etikette passe.

Während die ganze Gesellschaft äußerst gespannt ist auf Manuel Godoy, als „1. Minister“ der neue starke Mann an der Seite der aus Italien stammenden Königin, beschäftigt sich Goya lieber mit der schönen Dona Lucia, einer feurigen Patriotin, die den bevorstehenden, von ihr als „schmachvoll“ geschmähten Frieden mit Frankreich verdammt: das nördliche Nachbarland wird eine säkulare Republik werden und mit der Verheißung von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit die intellektuellen Köpfe Spaniens über die Pyrenäen locken.

Goya ist ein wohlhabender, angesehener Mann geworden und gilt zu Recht als bedeutender Künstler. Seine Werke zieren die Schlösser und Galerien der reichsten Familien Spaniens. Was immer neue Begehrlichkeiten weckt, im Übrigen auch beim Klerus. Goya nimmt keine Rücksicht auf seine Gesundheit: sein Atelier ist in der Nacht voller Kerzen, eine von ihnen hat er auf der breiten Krempe seines Zylinderhutes platziert, um in ihrem flackernden Schein wenigstens einigermaßen die Leinwand auf der Staffelei sehen zu können.

Goya fürchtet, dass sich Esteve um Kopf und Kragen redet, wenn dieser in aller Öffentlichkeit von der Notwendigkeit der politischen und künstlerischen Erneuerung spricht. Andererseits stoßen seine aufrührerischen Worte wider das adlige Establishment bei ihm durchaus auf eine gewisse Resonanz: Er ist ein Mann des Volkes geblieben und innerlich zunehmend beunruhigt über den offenkundigen Widerspruch zu seiner Königstreue. Goya sieht durchaus das Intrigantentum und die Skrupellosigkeit am spanischen Hof, der sich nicht um die sowohl wirtschaftlich als auch sozial katastrophale Lage des Landes schert. Als ihn Esteve eines Nachts in eine Taverne mitnimmt, lernt er dessen patriotisch-republikanisch gesinnten Freunde wie Pablo Otero und Don Gaspar Jovellanos kennen: Der eine zeigt ihm ein Buch, in dem künstlerische Freiheit gegen die Zensur von Kirche und Staat gefordert wird, der andere, für dessen Begnadigung sich Goya eingesetzt hat, setzt sich mit der Kunst des Hofmalers sehr kritisch auseinander: Goyas Werke seien zu experimentell im Umgang mit Licht und Farbe. Was Spanien jetzt notwendig benötige sei eine politische Kunst. Wasser auf die Mühlen Augustins: „Weil du begabter lügst, bist du auch gefährlicher als die anderen.“

In dieser bewegten Nacht, die mit einem Hörsturz in seinem Atelier endet, lernt Goya auch die Sängerin Maria Rosario kennen, deren volkstümliche Lieder ihn zutiefst berühren, sodass er sich fragt, ob er noch auf der richtigen Seite steht. Doch seine leidenschaftliche Beziehung zu der bildschönen, aber selbstbewussten und dadurch für ihn recht komplizierten Herzogin Cayetana de Alba lässt ihn solche Gedankenspiele rasch vergessen. Er trifft sich heimlich mit ihr in Madrid, erst in einer Taverne, in der die Adlige vom selbstbewussten Volk gezwungen wird, ihre Mantilla abzulegen, dann in seinem Atelier, wo er von „der“ Alba regelrecht verführt wird.

Der Konflikt zwischen Königstreue und innerlicher Zugehörigkeit zum einfachen Volk wird auf eine harte Probe gestellt, als Goya zum Tribunal der Inquisition eingeladen wird, was er als Warnung die eigene Person betreffend versteht. Vor diesem haben sich u.a. der offenbar gefolterte Pablo Otero und Maria Rosario zu verantworten. Die Sängerin ist die Einzige, die sich vor dem Großinquisitor als nicht schuldig bekennt, während alle anderen, den drohenden Scheiterhaufen vor Augen, abschwören. Der innerlich aufgewühlte Maler drückt seine Zerrissenheit in Bildern aus, die sogleich vom Großinquisitor kassiert werden.

Frankreich ist Republik geworden, immer mehr spanische Intellektuelle fliehen über die Grenze. Neue, nie gesehene Bildmotive Goyas aus dem Alltag der Menschen finden dank neuer Drucktechniken rasch Verbreitung. „Malen, wie wir noch nie gemalt haben, den verborgenen Sinn der Dinge erkennen“: Goya, inzwischen fast vollständig taub, bringt Dämonen aufs Zeichenblatt – seine eigenen und die Spaniens. Die Druckpresse rotiert. „Der Traum der Vernunft gebiert Ungeheuer“: der Großinquisitor erkennt die Sprengkraft seiner Graphiken und unterbreitet Goya ein letztes Angebot. In ihm jedoch hat endgültig der Künstler gesiegt und er entzieht sich der „göttlichen Vergeltung“ auf einem Grautier nach Frankreich...

Lion Feuchtwangers weltberühmter Roman „Goya oder: Der arge Weg der Erkenntnis“ bildete die Vorlage für diese beeindruckende Parabel über das Verhältnis von Kunst und Macht, die am 14. Oktober 1973 im Fernsehen der DDR erstausgestrahlt und bereits am 1. November des gleichen Jahres im ZDF gezeigt wurde. Konrad Wolfs opulenter, mit hochkarätigen Schauspielern aus sieben Ländern besetzter Streifen geht über die üblichen Künstlerbiografien hinaus, obwohl 120 Gemälde und Originalgrafiken Goyas in die Handlung und Dekoration des Films einbezogen wurden. Und das vor allem in einer metaphorischen Bildmontage am Schluss, die an Andrej Tarkowskijs „Andrej Rubljow“ von 1966 erinnert.

Wolf ging es zum einen um die historische Situation, um die Zeitenwende zwischen der spanischen Feudalherrschaft unter dem Kreuz eines orthodox-fundamentalistischen Katholizismus und der zumindest unmittelbar nach der Revolution freiheitlich-bürgerlichen Gesellschaft in Frankreich. Und zum anderen um den Menschen Goya, der die Frauen und das Leben liebte und dennoch bei der Arbeit im Atelier keine Kompromisse kannte, am wenigsten mit sich selbst. Wolfs Kameraleute haben aber auch skurrile, „menschelnde“ Szenen wie einen Ringkampf zwischen dem König und „seinem“ Maler im Park der Madrider Residenz eingefangen, zeigen eine zwar eitle, aber durchaus selbstkritische und entwaffnend offene Königin in der ganzen äußerlichen Hässlichkeit ihrer Person und machen die Stellprobe Goyas zum Gruppenporträt zu einer lächerlichen Farce, mit der sich der Maler offenbar für besagten Ringkampf an den Majestäten rächt. Die zwar sehen, dass Goya mit seinen künstlerischen Mitteln alles bisher Dagewesene in Frage stellt, ihm seinen Mut und seinen Freiheitsdrang aber nicht zum Vorwurf machen. Im Gegenteil: die Königin Maria Luisa ist die erste, die von einem „großen, prächtigen Bild“ spricht und so den Bann der offenbar entgeisterten Hofschranzen bricht. Was Konrad Wolfs Film also auszeichnet, ist seine Farbigkeit auf der für Defa-Verhältnisse zu Beginn der 1970er Jahre superbreiten Leinwand, und das in mehrfacher Hinsicht: Schwarzweiß-Malerei, und sei sie ideologisch auch noch so erwünscht, lag dem Regisseur und umsichtigen Präsidenten der Ost-Berliner Akademie der Künste fern.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie

Drehbuch

Szenarium

Standfotos

Musik-Ausführung

Synchronsprecher

Produktionsleitung

Länge:
3662 m, 134 min
Format:
70mm, 1:2,20 (Sovscope 70)
Bild/Ton:
Sovcolor, 6-Kanal Magnetton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 16.09.1971, Berlin, Kosmos

Titel

  • Originaltitel (DD) Goya
  • Originaltitel (SU) Goja
  • Weiterer Titel Goya - oder der arge Weg der Erkenntnis

Fassungen

Original

Länge:
3662 m, 134 min
Format:
70mm, 1:2,20 (Sovscope 70)
Bild/Ton:
Sovcolor, 6-Kanal Magnetton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 16.09.1971, Berlin, Kosmos

Auszeichnungen

Nationalpreis I. Klasse 1971
Kunstpreis der DDR 1971
Moskau IFF 1971
  • Special Prize