Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt?

Deutschland 1931/1932 Spielfilm

Kuhle Wampe


Georg Herzberg, Film-Kurier, Nr. 126, 31.5.1932


Die Grundtendenz dieses Films ist, den Arbeitern klar zu machen, daß es für den Kampf des Proletariats nicht genügt, bei Wahlen rote Stimmzettel abzugeben oder ein rotes Parteibuch in der Tasche zu tragen, sondern daß auch eine geistige. Umstellung im Privatleben jedes einzelnen notwendig ist.

Da wird zuerst einmal das Schicksal eines jungen Arbeitslosen gezeigt, der aus dem Fenster springt, nicht, weil er nichts zu essen hat, sondern weil Vater und Mutter ihm mit Kränkungen, Sticheleien und ungerechten Vorwürfen das Leben unmöglich machen, weil sie ihrer eigenen Ohnmacht gegenüber der Not durch treten nach unten, auf den einzigen Menschen, den sie treten dürfen, einen Ausgleich entgegensetzen. Gut gesehen von Brecht und Ottwald, eindringlich inszeniert von S. Th. Dudow. In Hunderttausend deutschen Arbeiterfamilien machen sich die Menschen das Leben selbst unnötig schwer.

Der Film geht weiter, die Familie wird exmittiert und zieht in ein Zeltgelände, nach Kuhle Wampe. Hier findet man bei Bäumegrün, Radio und Hintertreppenlektüre Befriedigung. Bei einer Verlobungsfeier, die die Braut angeekelt verläßt, bricht der moralische Schweinehund in diesen Menschen völlig durch, sie fressen, daß sie platzen, sie besaufen sich, daß sie nicht mehr stehen können. Diese Szenen, vielleicht etwas übertrieben, damit sie überhaupt auffallen, sonst merkt man womöglich im Kinoparkett die aggressive Absicht gar nicht, sind wohl die besten des Films.

Im dritten Teil wird gezeigt, wie die Arbeiter leben sollen. Hier wird der Film schlecht. Hier knickt sein geistiges Rückrat. Hier fällt Brecht und Ottwald nichts ein als – ein Sportfest.


Zuerst einmal ein Hymnus auf die Vereinsmeierei. Da schläft man nächtelang nicht, weil man Transparente kleben muß. Da jagt man auf hochfeudalen Motorrädern über die Chausseen. (Ist es wirklich etwas anderes, wenn beim Avus-Autorennen der Kronprinz in der Fox-Wochenschau neben dem Mercedes-Fahrer steht?) Da rudert man und schwimmt man, da macht man ein bißchen Musike und scheint allen Ernstes anzunehmen, das Sporttreiben sei eine KPD-Erfindung. Wer treibt heute nicht Sport, welche Partei empfiehlt ihn nicht, wo wird nicht organisiert und vielleicht noch besser? Ich war einen Tag vorher beim Potsdam-Berlin Staffellauf der ttt Bürgerlichen, das sah ernsthafter und weniger theatralisch aus.

Im Schluß fassen die Autoren wieder Tritt. Da wird eine Unterhaltung im Eisenbahnabteil dargestellt. Mit einer Notiz über verbrannten Brasil-Kaffee fängt es an, und mit der Erkenntnis, daß diese Welt zu ändern ist, hört es auf. Glänzend gesehene Typen werden von Dudow gegeneinander gestellt.

Der Film darf vielleicht als typisch für einige unserer Parteien angesehen werden. Solange man die Fehler der anderen geißelt, hat man Schwung und klares Auge, und wenn man das eigene Tun darstellen soll, rettet man sich in die Phrase.

Die Darsteller werden wirkungsvoll eingesetzt, ohne daß für Sonderleistungen Platz ist. Hertha Thiele geht mit gerader Haltung durch den Film, was sie spricht, überzeugt. Ernst Busch gibt glaubhaft einen Schwankenden und dann doch noch Bekehrten. Max Sablotzki zeichnet eine Arbeitertype, wie sie nicht sein soll. Lili Schönborn die geistig zu ihm passende Frau, mit den Sinnsprüchen an der Küchenwand und der Sehnsucht nach dem Gutbürgerlichen. (...)

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