Berlin is in Germany
Der letzte Ossi
Der letzte Ossi Der Osten dämmert, die Orientierung fällt schwer. Wie die letzte einsame Koordinate eines abgewickelten Systems ragt der Fernsehturm am Alexanderplatz über die Dächer Berlins in den Abendhimmel. Für Martin (Jörg Schüttauf), der in der DDR nie richtig zu Hause war und im wieder vereinigten Deutschland noch nicht richtig angekommen ist, stellt der Funkturm die einzige Möglichkeit dar, um irgendwie durch die unübersichtlich gewordene Welt zu finden. Kurz vor dem Mauerfall war der Ostberliner ins Gefängnis geschickt worden, weil er im Affekt den herumschnüffelnden Hausbuchverwalter erschlagen hatte. Elf Jahre später soll er sich in einer Umgebung resozialisieren, die ihm völlig fremd ist. Die Straßen tragen andere Namen, die Geschäfte sind vollgestellt mit Waren, für die er nicht die richtige Währung besitzt. Als man Martin aus der Haft entließ, gab man ihm ein paar wertlose Ostmark mit auf den Weg. Von einer Reporterin, die seine Geschichte zu einem Artikel verarbeitet, wird dem Mann deshalb der wenig schmeichelnde Titel "Der letzte Ossi" zugesprochen.
Regisseur und Drehbuchautor Hannes Stöhr inszenierte ein Großstadtdrama, in der die Wiedervereinigung in einer Art Schnelldurchlauf vollzogen wird: Wenn es dunkel wird, steht sein gebeutelter Held an der Kasse eines Sexshops, und in seiner freien Zeit studiert er die neue Topographie Berlins, um seinen Taxischein zu machen. Sein Weg in die Wirklichkeit der neuen Bundesrepublik wird von tragikomischen Erkenntnissen flankiert. Der alte Osten und das neue Gesamtdeutschland – in diesem nachtschwarzen Gegenstück zu "Good Bye, Lenin!" scheint keines der beiden Systeme so richtig heimelig.
Quelle: Christian Buß, Birgit Glombitza (Red.): "Deutschland, revisited". (Katalog zur gleichnamigen Retrospektive im Kommunalen Kino Metropolis Mai - Juli 2004). Hamburg: Kinemathek Hamburg e.V., 2004