Die Abenteuer des Prinzen Achmed

Deutschland 1923-1926 Animationsfilm

Die Geschichte des Prinzen Achmed



H. W. (= Hans Wollenberg), Lichtbild-Bühne, Nr. 104, 3.5.1926
Unter allen Umständen muß der Versuch respektvoll begrüßt werden, Neuland für den Film zu erproben. Dieser überaus kühne Versuch, einen abendfüllenden Silhouettenfilm zu schaffen, steht in der Geschichte des Films vereinzelt da. Lotte Reininger, Walter Ruttmann und die übrigen Mitarbeiter haben mit einem Ernst und einer Hingabe gearbeitet, die nicht nur durch die technische Leistung Anerkennung und oft Bewunderung erzwingt.

Die sehr krause und sehr bizarre Geschichte von dem Prinzen Achmed verwertet Motive aus Tausendundeiner Nacht, läßt die Geschichte von der Schwanenjungfrau und dem Federhemd anklingen, spielt mit Chinoserie und einem phantastischen Orient. Es ist alles auf die dekorative Wirksamkeit und die unbeschränkte Beweglichkeit der Silhouette gestellt. Und der Hauptreiz liegt in diesen reizvoll geschnittenen Silhouettenformen, in diesen sentimentalen und bizarren Umrissen, die wie Leben gewordene Mädchenträume anmuten. Und dem Geist des Trickfilms entsprechend, ist eine Zauberwelt geschaffen worden, in der immer das Unerwartete geschieht und das Wunderbare selbstverständlich wird.

Technisch ist die Beweglichkeit der Figuren mit bewunderungswürdigem Geschick gelöst. Man kann sich keine Vorstellung von der Arbeit machen, die darin liegt, mehrere hunderttausend vielfiguriger Bilder bewegungsmäßig zu gestalten. Die Aufgabe ist nicht nur gelöst, sondern die Bewegungen erhalten ihre Bestimmung von der Musik, die Wolfgang Zeller erfindungsreich und eigentümlich geschaffen hat. Walter Ruttmann hat den Figuren einen wunderbar bewegten Hintergrund geschaffen mit großen Flächen, die sich verschlingen, mit Nebeldämpfen und zuckenden Körpern. Ganz besonders schön ist das Erscheinen der Geister, die von Aladins Wunderlampe gerufen werden. Nicht Gestalten huschen über die Fläche, sondern ein Heer von Lichtern, das anschwillt und fasziniert.

Aber alle diese Qualitäten können nicht darüber hinweghelfen, daß die Silhouette, die im letzten Grunde auf die Seele, auf das Gesicht verzichten muß, nicht tragfähig ist, einen ganzen Abend zu füllen. Es bleibt eine Angelegenheit der empfindsamen Haut, es trifft nicht das Herz da, wo es menschlich mitfühlt. Ein Silhouetten-Einakter von Lotte Reininger wird nicht nur ein künstlerischer Genuß sein, sondern wird auch seinen Zweck im Kino erfüllen. Aber fünf Akte sind zuviel für eine Kunstform, die von vornherein dazu bestimmt ist, ein flüchtiges Spiel zu sein, eine angenehme ästhetische Unterhaltung – die aber überall da versagen muß, wo Herz zu Herzen spricht. – Diese Feststellung muß bleiben, auch wenn man den außerordentlichen Beifall am gestrigen Tage in Betracht zieht, der wohl mehr dem Streben der Künstler galt, der hingebenden Arbeit dreier arbeitsreicher Jahre, als der vom Sinn des Kinos aus betrachteten filmmäßigen Leistung.

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