Science Fiction

Deutschland 2001-2003 Spielfilm

Ich-AG im Wunderland

Wer nichts hat, kann immer noch eine Ich-AG gründen. Und weil momentan viele nichts haben, gibt es immer mehr Ich-AGs. Der Mensch – er ist nicht länger die kleinstmögliche soziale Einheit, sondern die kleinstmögliche ökonomische Gesellschaftsform. Marius (Jan Henrik Stahlberg) leitet Motivationsseminare, bei denen er den Leuten eine "mental syntax" beibringt, die dabei helfen soll, die eigene Person rundum zu vermarkten. Kursteilnehmer Jörg (Arved Birnbaum) ist allerdings ein hoffnungsloser Fall. Dass hinter jeder Tür ein Raum wartet, der erobert werden will, ist dem Phlegmatiker nicht zu vermitteln. Eines Tages versucht Marius mal wieder, Jörg vor dem Seminarraum seine "mental syntax" einzubläuen, da passiert das Unglaubliche: Sie machen die Tür auf – und die anderen Seminarteilnehmer sind verschwunden. Das Super-Ego und das Weichei sind in ein Paralleluniversum geraten: Fällt hinter ihnen die Tür zu, sind sie schon vergessen. Sie sind nur solange im Bewusstsein der anderen Menschen, solange sie im selben Raum sind. Während Marius die Situation schamlos ausnutzt, leidet Jörg unter dem Verlust seiner Rest-Identität. Als das seltsame Paar in einem Hotel der traurigen Rezeptionistin Anja (Nicole Marischka) begegnet, beginnt eine verflixte Ménage à trois: Wie kann man ein Herz erobern, wenn man nach jeder zugeschlagenen Tür aus dem Gedächtnis getilgt wird?

Eine Reise ins neoliberale deutsche Wunderland: Inspiriert vom Science-Fiction-Autor Kurt Vonnegut, erarbeitete Franz Müller mit seinen Schauspieler auf Improvisationsbasis eine Fantasy-Komödie über Weltverlust und Selbstfindung in Zeiten von Jobcoaching, Outsourcing und anderen angelsächsisch hochgejazzten Heilsversprechen.

Quelle: Christian Buß, Birgit Glombitza (Red.): "Deutschland, revisited". (Katalog zur gleichnamigen Retrospektive im Kommunalen Kino Metropolis Mai - Juli 2004). Hamburg: Kinemathek Hamburg e.V., 2004

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