Viktor Vogel - Commercial Man
Viktor Vogel – Commercial Man
Rüdiger Suchsland, film-dienst, Nr. 08, 10.04.2001
In der Werbung, so will es das Vorurteil, wird sowieso nur gelogen und betrogen. Ausschließlich aus Aufschneidern und Blendern scheint sich diese geheimnisvolle Welt zusammenzusetzen, deren einziges Ziel darin besteht, das Publikum möglichst effektiv zu manipulieren. Die gleichen Gesetze auch im Innern: Unter schöner Oberfläche ein Abgrund aus Intriganz, Amoral, Gier und Karrierestreben. Trotzdem (oder gerade deswegen?) gilt der Werbeberuf nach wie vor als Traumjob in einer Zeit, die sich mit Vorliebe dem Fake, dem Unechten, im Zweifelsfall dem Vorgetäuschten verschrieben hat, in der die Kunst des Betrugs wie des trickreichen Ausnutzens menschlicher Schwächen zum wichtigsten sozialen Kapital gehört. Auch Viktor Vogel kennt kein höheres Ziel, als Art Director bei einer Frankfurter Werbeagentur zu werden. Nur hat er weder eine Ahnung von dem, was er dafür wissen sollte, noch verfügt er über ein Minimum jener Benimmregeln, die ihm vielleicht die Tür zur Chefetage öffnen könnten. Vielmehr herrscht der Betrug von der ersten Minute an. Unerlaubt erhält er Zutritt zu einer wichtigen Besprechung, und diese geglückte Hochstapelei ist schon fast Qualifikation genug. Zumindest als Strohmann für den alternd erfolglosen Creative Director Eddie Kaminsky (Götz George) wird er an einem großen Auftrag beteiligt.
Regisseur Lars Kraume, dem mit "Dunckel" 1998 ein passables Debüt gelang, präsentiert seinen Helden als eine Art Taugenichts, der, von Zuhause hinaus in die weite Welt gezogen, schließlich zum Hans im Glück wird. Dabei möchte der Film, zu dem Kraume auch das Drehbuch schrieb, gleich Mehreres auf einmal sein: einerseits eine Gesellschaftssatire, gespickt mit Alltagspartikeln, mal mehr, leider aber oft weniger subtilen Anspielungen auf die Verhältnisse und dem einen oder anderen cineastischen Insiderverweis. Andererseits geht es auch um Amüsement der schlichteren Sorte, das auf den Humor genau jenes Publikum zielt, das teilweise selbst die süßen Träume von der großen Werberkarriere teilt – und für deren entlarvende Dekonstruktion naturgemäß eher unaufgeschlossen ist. Mit jener ist es allerdings auch nicht weit her. Theoretisch möchte Kraume ganz offensichtlich das ausgeleierte Schema jener deutschen Beziehungskomödien vermeiden, die in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre immer wieder simple Geschichten aus teuer ausgestatteten Lofts in München und Berlin erzählten und banale Schicksale zu künstlichen Dramen hoch kochten. In der Praxis tappt er aber genau in dieselbe Falle. "Viktor Vogel" ist ein infantiler Film, der aller Wirklichkeit enthoben, ein Stereotyp an das nächste reiht und weder dem Schauplatz Frankfurt noch der Konfrontation von Kunstszene – Viktor verliebt sich in die Videokünstlerin Rosa (Chulpan Khamatova) – und Wirtschaftskreisen etwas Neues abgewinnen kann. Auch dem Werbemilieu bringt Kraume kein echtes Interesse, sondern nur diffuse Klischees entgegen. Die Schauspieler lassen sich von all dem anstecken. Bis auf Khamatova agieren sie alle unter Standard, besonders George bietet einen der Tiefpunkte seiner Kinolaufbahn.
In unnötiger Hektik, überdreht, und voller hysterischem "Witz" wird der Film heruntergenudelt, stilistisch desinteressiert bis anspruchslos, ohne eine Spur von der Gelassenheit, die einst ein Klassiker der Werbekomödie wie "Ein Pyrama für zwei" (fd 10 927) besaß, oder der Selbstironie, die noch einen Mainstreamfilm wie "Das Geheimnis meines Erfolges" (fd 26 323) auszeichnete. Stattdessen wird in läppisch-unkritischer Form ein Lob des Kapitalismus und der moralischen Korruption zelebriert. Zur allmählich überalternden Gesellschaft passt zudem, dass der Film sein junges Zielpublikum einmal mehr auf einen Sieg der Väter über die rebellierenden Söhne einschwört. Denn im letzten Viertel scheitert Viktor kläglich, beruflicher wie privater Betrug fliegen auf, und für die Rettung des Happy Ends sind dann – Papa wird’s schon richten – der zuvor abgehalfterte Ersatzvater Kaminsky und ein alter Auftraggeber zuständig. Die Alten entscheiden, die Jungen ziehen sich mit einem Koffer voller Geld in ewige Ferien auf eine ferne Insel zurück, wo er neue Ideen ausspinnen, sie brotlose Kunst machen darf. Die fromme Hoffnung, dass Liebe und Freundschaft alle Wunden heilen, wird so zur Ideologie. Und der Rest ist nicht "bloß Unterhaltung", sondern einfach schlecht.