Das Flötenkonzert von Sans-souci

Deutschland 1930 Spielfilm

Das Flötenkonzert von Sanssouci

H. W–g. (= Hans Wollenberg), Lichtbild-Bühne, Nr. 304, 20.12.1930

Ein historischer Hintergrund voll dramatischer Bewegtheit, gleichzeitig von fast unausschöpfbaren bildhaften Möglichkeiten: das Jahr 1756.

Historisch: der um Preußen sich zusammenziehende Ring seiner übermächtigen Feinde, Österreich, Rußland und Frankreich. In Dresden der intrigante Staatschef Graf Brühl; in Sanssouci: Friedrich der Große; informiert über die sich zusammenziehende tödliche Schlinge und entschlossen, sie mit einem Schlage – dem Einfall in Sachsen – zu durchhauen.

Künstlerisch: ein Zeitalter höchst entwickelten Stilempfindens; die Kultur des Rokoko in ihrer für jedes aufnahmefähige Auge einzigartig geschlossenen Prägung.

Das sind zwei Faktoren, die zu filmischer Gestaltung ungewöhnlich reizen; die eine solche rechtfertigen, wenn sie mit dem historischen und geschmacklichen Verantwortungsgefühl unternommen wird, wie hier von der Günther Stapenhorst-Produktion der Ufa.

Achse des Films ist eine Handlung, die sich die gekennzeichneten geschichtlichen Voraussetzungen zunutze zu machen weiß. Ihr Held ist jener Major, der in tollkühnen Ritten die Geheimbotschaften des Preußischen Gesandten in Dresden nach Potsdam bringt. Lindenecks junge Frau aber sitzt in Potsdam, und ihre eheliche Standhaftigkeit gerät, einen Augenblick lang, in Gefahr. Hier schaltet das Manuskript Walter Reischs episodisch den König selbst aktiv in die Handlung ein: Er läßt das Frauchen, statt zum Rendezvous, zu sich aufs Schloß bringen, soupiert hier mit ihr und liefert sie intakt in die Arme ihres zum letztenmal von Dresden nach Berlin galoppierten Gatten. Zum letztenmal: denn die von ihm überbrachten Nachrichten lösen den Mobilmachungs-Befehl Friedrichs aus. Dessen Truppen defilieren mit wehenden Fahnen in den Krieg, der sieben Jahre dauern sollte.

Der Film, in den suggestiven Rhythmus altpreußischer Militärmärsche ausklingend, hält sich (um auch in dieser Richtung Feststellungen zu treffen) an die geschichtlich überlieferte Tradition; und ein bedeutsames Stück seiner Historie, eine seiner größten geschichtlichen Persönlichkeiten in dieser Form im Lichtspiel zu sehen, wird man einem Volk nicht verwehren und verargen können. Ucickys Regie hat mit hervorragender Einfühlung in das Milieu, den Stil, die Psychologie jener Epoche gearbeitet. Vorzüglich, wie der Film in Dresden einsetzt, die historischen Zusammenhänge unaufdringlich aufrollt und dann in die eigentliche Handlung überleitet. Dann der Kontrast: Friedrichs "Sanssouci"; in künstlerischer Vollendung getroffen. Unmerkliche Anlehnung an die berühmten Bilder Menzels: "Tafelrunde" und "Flötenkonzert". Ein Bravourstück: die tolle Verfolgung Lindenecks durch die Sachsen. Ganz meisterhaft hat Hoffmanns Photographie die Absichten der Regie unterstützt. Dieser Film ist nicht nur von einer beispielhaften Bildschönheit; die Kamera vermeidet dabei jede Starre, ist von einer bewegten Lebendigkeit. Herlth und Röhrig als bildgestaltende Architekten haben ihren hervorragenden Anteil an diesem Gelingen.

Darstellerisch stellt Hans Rehmann als Lindeneck eine in ihrer beherrschten Intensität überzeugende Leistung hin, die in Renate Müllers unaufdringlichem, sympathischem Charme ihre Ergänzung findet. Ein ungewöhnliches Aufgebot guter und bester Schauspieler, alle am richtigen Platz eingesetzt, um sie herum. Darunter bemerkenswert: Janssen, Karl Goetz, Beierle, Biensfeldt, Tiedtke, Murski und viele andere. Otto Gebühr war, traditionsgemäß, die Rolle Friedrichs, zum ersten Male auch sprechend (und daher nicht ohne Gefahren), anvertraut. An die bekannten Requisiten: Dreispitz, Degen, Krückstock, Zopf und lange Stiefel, denen Gebühr das blitzende Auge hinzuzufügen hat, hält sich die Verehrung für Fridericus. Das, was man dieser fesselnden genialen Persönlichkeit geistig in der Darstellung gegeben sehen möchte, haben wir vermißt; eine notwendige Einschränkung, die nur wenig an der Bewertung dieses Films als künstlerische Gesamtleistung zu ändern vermag.

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