Sie wissen doch, was wir gedreht haben
Katharina Dockhorn, filmwoche/filmecho, Nr. 20, 18.05.2002
Volker Koepp war von 1970 bis 1990 im DEFA-Dokumentarfilm-Studio. Mit den Filmen über die Frauen aus Wittstock machte er sich weltweit einen Namen. Sein neuer Film "Uckermark", eine Produktion von Vineta Film mit SWF, WDR und ORB, hatte während des Forums Premiere und wird von Salzgeber zunächst ab 16. Mai in Berlin und Templin ausgewertet.
Filmecho: Nach "Herr Zwilling und Frau Zuckermann" und "Kurische Nehrung" ist dies Ihr dritter Film bei der Edition Salzgeber. Haben Sie den idealen Verleiher gefunden?
Volker Koepp: Auf der einen Seite verändere ich mich nicht so gerne. Aber bei "Zwilling" merkte ich den Unterschied zu Progreß. Es war eine ziemlich intensive Betreuung der wenigen Kopien und ich war aufgefordert, damit rumzufahren. Das habe ich bei den DEFA-Filmen auch gerne gemacht, als die Vorführer sie oft weggelassen haben, um eine Straßenbahn früher nach Hause zu fahren.
Filmecho: Sie haben den Film mit Ihrer eigenen kleinen Firma Vineta-Film gedreht. Wünschten Sie sich manchmal starke Partner?
Koepp: Bei "Zwilling" haben wird uns entschieden, das selbst zu machen, weil man als Regisseur eine Menge Produktionsarbeit ohnehin mitmachen muss. Das Problem sind allerdings die Bürgschaften, die man für die Fernsehsender braucht.
Filmecho: Martin Hagemann hat ein Bonussystem für Dokumentarfilme bei der Referenzmittelförderung gefordert. Das würde Ihnen doch sicher entgegenkommen?
Koepp: Das wäre prima. "Zwilling" ist auf 70 Festivals gelaufen und in Reihen des Goethe-Instituts, wo der Film im Ausland als Kulturgut wahr genommen wird. Das ist fast wie eine zweite Abspielstrecke. Trotzdem sind Referenzmittel heute kein Grundstock für einen nächsten Film. Nur durch die Filmpreis-Mittel für "Zwilling" konnte ich die "Uckermark" drehen. Generell ist es ein bißchen komisch, wenn man sich jedesmal für die Förderanträge hinsetzen muss und erklären, was für ein toller Kerl man ist und dass man Filme machen kann. Manch ein Mitarbeiter kennt meine Filme nicht und kann daher mit meinen Konzepten wenig anfangen. Meinen nächsten Film "Ewige Orte" hat die FFA zunächst abgelehnt. An den Widerspruch habe ich die Preisliste für "Zwilling" rangehängt und dann wurden die beantragten Gelder mit Kürzungen bewilligt.
Filmecho: Warum wieder die Uckermark, nachdem Sie dort mit "Märkische Trilogie" und "Wittstock" schon waren?
Koepp: Das ist eine Gegend wie die Kurische Nehrung, wo man hinfahren kann, ohne das schon alles abgedreht ist. Die Leute wissen wirklich nicht, dass es so eine schöne Landschaft noch gibt, die dank der Naturschutzgesetze noch nicht zersiedelt ist. Beim SWF haben die Redakteure erstmal gefragt, wo die Uckermark liegt. Ich kenne die Gegend seit vielen Jahrzehnten gut. In den 70er Jahren durchwanderte ich die Uckermark mit Einar Schleef. Nach dem dritten verfallenen Gutshaus hat er gesagt, Volker, die Gutsbesitzer hätten sie uns schon lassen können. Und nun dachte ich, jetzt sind sie da und ich könnte auf Entdeckungstour gehen.
Filmecho: Wobei die von Arnims einen Pragmatismus und eine Tatkraft ausstrahlen, die man bei manch Alteingesessenen vermisst...
Koepp: Die von Arnims haben nicht viel Geld und gehen davon aus, das es wie nach dem Dreißigjährigen Krieg zwei bis drei Jahrzehnte dauern wird, bis sie wieder Fuß gefasst haben. Sie haben ein großes Sendungs- und Beharrungsvermögen. So hat auch ein von Arnim, der seit Jahrzehnten ein großer Eisenbahnfan ist, dafür gesorgt, dass die Züge von Berlin nach Usedom wieder über die Brücke in Wolgast fahren.
Filmecho: Wie sind Sie von der Bevölkerung aufgenommen worden?
Koepp: Die Alteingesessenen waren zunächst ein wenig misstrauisch, weil sie nicht wussten, woher wir kamen. Doch mir wird auch nachgesagt, dass ich es hinkriege, dass die Leute nach einer gewissen Zeit recht aufgeschlossen sind. Bei den von Arnims war es auch nicht schwer. Beim zweiten Termin haben sie mir empört Artikel über den zurückgekehrten Adel gezeigt. Ich habe nur geantwortet: "Sie wissen doch, was wir gedreht haben."
Filmecho: Wie weit entfernen Sie sich beim Dreh von der Konzeption?
Koepp: Es ergibt sich doch eine ziemliche Deckungsgleichheit zu dem, was ich mir vorher ausgedacht habe. Wenn man fürs Kino auf 35 mm dreht und ein Drehverhältnis von 1:6 hat, dann wird man nach jeder Kassette dran erinnert, wie kostbar das Material ist und entgeht der Gefahr, geschwätzig zu werden. Die Vorstellung stimmt auch nicht, dass man mehr von den Leuten erfährt, wenn man sie eine halbe Stunde ausquetscht.
Filmecho: Wohin wird Sie ihr nächster Film führen?
Koepp: Wir fahren in die Südbukowina, die heute in Rumänien und der Ukraine liegt. Auf dem Weg dorthin wollte ich eigentlich Frau Zuckermann besuchen. Leider ist sie in den vergangenen Wochen verstorben. Auch das gehört zum Dokumentarfilm. Aus der Südbukowina stammt die Mutter von Harvey Keitel. Wir haben uns getroffen, als er hier "Taking Sides" gedreht hat.