Die Fastnachtsbeichte

BR Deutschland 1960 Spielfilm

Die Fastnachtsbeichte


Norbert Wiesner, Film-Echo, Nr. 76, 21.09.1960

Carl Zuckmayers Erzählung, die aus jeder Zeile die Liebe des Autors zum Mainzer Karneval spüren läßt, wurde kurz nach Erscheinen der Buch-Ausgabe verfilmt. Dies geschah nicht von ungefähr – birgt doch die literarische Vorlage ein reiches Maß filmträchtiger Elemente, unter denen die Kriminalstory und der karnevalistische Prunk am augenfälligsten sind. Hier bot sich eine gute Gelegenheit, das weit über den lokalen Rahmen hinaus bedeutsame Volksfest in einem ambitiösen Unterfangen auf die Leinwand zu bannen. Und: endlich hat der deutsche Film einmal nicht die Chance verpaßt, sich der Farbe zu bedienen.

Vom Fastnachtssamstag bis zum Aschermittwoch des Jahres 1913 spielt sich ein dramatisches Geschehen ab, das seinen Reiz aus dem Kontrast bezieht. Gegen die unbeschwerte Narretei dieser Tage stellt der Autor die moralische Demaskierung. Sie wird ausgelöst durch den Mord an einem illegitimen Sohn des Karnevalsprinzen; sie endet – in chronologischer Übereinstimmung mit dem Brauch – am Aschermittwoch, als die Nichte des Prinzen in der Fastnachtsbeichte ihr Schweigen aufgibt. Zwei Morde sind geschehen, doch Zuckmayer entzieht die Täter der Verantwortung. Er zeigt auf die wahrhaft Schuldigen, die mit reiner Weste dastehen, aber mit schlechtem Gewissen. Er treibt sie zum Bekennen ihrer Schuld.

Der Film ist etwas verwirrend ausgefallen. Wer Zuckmayers Erzählung nicht kennt, findet sich bisweilen weder in den Schauplätzen noch in den Charakteren zurecht. Der Grund hierfür liegt auf der Hand. Drehbuch-Autor Kurt Heuser und Regisseur William Dieterle entnahmen bei Zuckmayer die Dialoge, einen großen Teil der "Regie-Anweisungen" und hofften im übrigen, daß der Filmbesucher all das erahnt, was Zuckmayer kommentierend zu berichten weiß. Sind die Schauplätze bei genauem Hinsehen noch auseinanderzuhalten, so erweist sich das weitgehend starre Festhalten an den Original-Dialogen als großes Handicap. Insbesondere die beiden jungen Mädchen – Viola und Katharina – werden in ständig wechselnden Stimmungen gezeigt, deren Motivierung entweder in zusätzlichen Dialogen oder im Kommentar eines unsichtbaren Sprechers hätte erläutert wenden müssen. Die sklavische Anlehnung an Zuckmayer geht so weit, daß man es nicht wagte, die schon im Roman fast als unspielbar zu nennende Rolle der Frau Bäumler oder den eigentümlich gezeichneten Clemens (mal tumber Bauern-Typ – mal hyper-sensitiv) zu modifizieren.

Der Einsatz nachstrebender Kräfte ist grundsätzlich zu begrüßen. Aber angesichts des hier vorliegenden Drehbuchs und eines Regisseurs, dessen Darstellerführung offenbar die Klippen der Vorlage nicht auszugleichen vermag, erweist sich die Nachwuchsbesetzung als weiteres Handicap. Fraglos schneiden Götz George und Christian Wolff unter den jungen Schauspielern noch am besten ab. Leider erliegt Götz George – wie schon in "Kirmes" – dem Trugschluß, asthmatisches Sprechen wirke schon bei einem Anfang-Zwanziger sehr eindrucksvoll. Gitty Daruga bringt äußerlich die Voraussetzungen für die Rolle der Viola mit, steht jedoch durch die jähen Stimmungswechsel und die Schlußpassage vor einer zu diffizilen Aufgabe. Helga Tolle ist – wie man so schön sagt – als Katharina regelrecht "überfordert". Ursula Beyer, vom Maskenbildner zeitweise im Stich gelassen, Helga Schlack und Grit Böttcher füllen ihre kleinen, klar gezeichneten Rollen gut aus. Der Ferdinand von Rainer Brandt wirkt arg überzeichnet, zurückhaltend, nuanciert und nicht zu pastoral. Friedrich Domin als Domkapitular. Hans Söhnker entwirft sicher das Bild des von Skrupeln geplagten alternden Mannes, dem Prinzenwürde und Hoffnung auf späte Erfüllung der Liebe einen kurzen Auftrieb gönnen, Berta Drews als jene Frau Bäumler, die sich schon bei Zuckmayer recht absonderlich verhält, dämpft den Part so gut es geht. Eine der wenigen Szenen, in denen es knistert, ist Hilde Hildebrand (Madame Guttier) und Herbert Tiede (Dr. Merzbecher) in dem Verhör vorbehalten.

Heinz Pehlkes Farbkamera besticht in den nächtlichen Dom-Szenen. Hier gelangen Einstellungen mit großartiger Atmosphäre. Etwas oberflächlich bleiben indessen die Karnevalsbilder, die durch ihre starken Lichtunterschiede die Härte der Schnitt-Technik noch betonen, die sehr kritische Auseinandersetzung mit dem Film unterstreicht indessen die Tatsache, die angesichts der Einwände nicht übersehen werden soll und eingangs bereits angesprochen wurde: handelt sich um einen aus der Konfektionsware herausragenden Film, der seinen dichterischen Vorwurf deutlich erkennen läßt und eine Reihe von publikumswirksamen Faktoren besitzt.

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