Willi Forst

Weitere Namen
Wilhelm Anton Frohs (Geburtsname)
Darsteller, Regie, Drehbuch, Musik, Produzent
Wien, Österreich-Ungarn (heute Österreich) Wien, Österreich

Adieu, Bel Ami

Zum Tode von Willi Forst



Karsten Witte, Frankfurter Rundschau, 13.8.1980

Am schlimmsten sei, schrieb Benn, "nicht im Sommer sterben, wenn alles hell ist / und die Erde für Spaten leicht". So gesehen kam Willi Forst, um den immer Helle ohne Glanz, Charme ohne Süße und schlackenlose Eleganz war, aus diesem Leben gut davon. Sein Fach war das Leichte, seine Stadt war Wien, und aus dieser Kombination hat die Filmindustrie ein Medaillon gefertigt, in dem Forst seicht und herzig strahlte.

Sein Bild aber, nahm man es in die Hand, changierte. Das faltenlose Gesicht konnte eisige Verachtung zeigen, und auf die Gemütlichkeit Frostbeulen setzen. Unter der Maske des Kavaliers höhnte der Lebemann, der den Karneval antrieb und das schäumende Leben, von seiner Regie entfesselt, zu Tode hetzte. Er war gut angezogen und bewegte sich schnell. Im Studio sprach er leise und behend. Er hätte Horváth inszenieren sollen. Nie klebte die Stimme am Wienerischen, sondern huschte am Tonfall vorüber, ohne ihn als Markenzeichen wie Hans Moser auszuspielen. Forst insistierte nicht, er tippte die Probleme, wo er sie wahrnahm, mit dem Spazierstock an. Das gilt als oberflächlich. Die Maske des Klischees, die er sich aufband, war sein Schutzschild. Harlan, der hinter dieser Maske Tieferes vermutete, wollte ihn für die Hauptrolle im Film "Jud Süß" verpflichten. Forst lehnte ab. Alle anderen Schauspieler, die in Frage kamen, behaupteten später, niemand hätte sich Goebbels entziehen können. Der bestätigte zugleich das Klischee und lehnte Forst, den "Operetten-Fatzke", als zu ungefährlich ab.

Willi Forst, 1903 in Wien als Sohn eines Porzellanmalers geboren, stand schon als ganz junger Mann auf der Bühne. Ab 1925 spielt er im Berliner Metropol-Theater. Der Film wird auf ihn aufmerksam. An der Seite von Marlene Dietrich spielt er seine ersten Rollen: als Mörder und Zuhälter, als "eleganter junger Windhund", wie Lotte Eisner damals schrieb. Die Filme hießen "Cafe Electric", 1927, und „Gefahren der Brautzeit", 1929. Beim Debüt des deutschen Tonfilms: "Atlantik", 1930, machte Forst im Frack gute Figur und in jeder Lage eine heitere Miene zu bösem Spiel. In den deutschen Depressions-Komödien der Jahre vor 1933 vertritt er nie den mannhaften Typ, der mit Disziplin und Frohsinn auf die Beine kommt, sondern eher den Bruder Leichtfuß, der sich gewitzt und gelassen durchschlägt. Diese Rolle spielt er, gegen Willy Fritsch um Lilian Harvey konkurrierend, in der Arbeitslosen-Operette "Ein blonder Traum".

Der Schauspieler wird Regisseur, der zudem im Verein mit den damals besten deutschen Komödien-Autoren Walter Reisch und Jochen Huth sich seine Drehbücher schreibt. Den Schubert-Film "Leise flehen meine Lieder" produziert Forst, nachdem die Nazis die Macht übernommen hatten, lieber im vorläufig sicheren Wien. Er liebt Risiken und nimmt sich der verachteten Konfektion wie ein Autoren-Filmer an: das heißt, er kontrolliert seine Produkte und prägt sie mit seiner Handschrift. Paula Wessely gewann er für den Tonfilm ("Maskerade") und Pola Negri."für ein heftig ausagiertes Comeback ("Mazurka").

Als 1974 in London seine Filme im British Film Institute liefen, war Forsts Kunst der Nuancierung, der leichte Umgang mit dem Melodram, seine "undeutsche" Art die Entdeckung der Kritiker. Die Komödie "Allotria" (1936) schielte zwar auf die besseren Beispiele des Genres aus den USA, kann aber in ihrem Nonsens-Geplänkel und dem brillanten Spiel der Akteure durchaus neben ihnen bestehen. Nicht nur die Dialoge leisten eine Überwindungsarbeit, die den Figuren ihre Angst nimmt, auch die visuellen Gags, an denen die deutsche Komödie ständig krankt, beflügelten ungeahnte Wünsche.

"Bei Ami" war die Rolle, mit der sein Ruhm verwuchs, er schrieb, spielte und inszenierte diese Pressekomödie - mit dem 1939 gebotenen Zwielicht. Die Rancunen um den rücksichtslosen Aufstieg eines Journalisten der Belle Epoque, wie ihn Maupassant entlarvte, dämpfte Forst. Er übersetzte die politischen Abenteuer in amouröse und pfiff sich auf die Anspielungen (Frankreichs Kolonialabenteuer in Algerien: der Polen-Krieg stand vor der Tür) ein eigenes Lied. Wo andere Schauspieler tobten, pfiff er besonders sein Lied "Bel Ami, Du hast Glück bei den Fraun", dessen untergründige Popularität sich in späteren Filmzitaten erwies. In "Stukas" sangen die Piloten "Bei Ami, Du hast Schiß vorm Kommiß", und in der "Großen Freiheit Nummer 7" brummt Hans Albers dieses Lied auf Plattdeutsch.

Forst hat den Faschismus, den er mit keinem Zentimeter Zelluloid verlängerte, wie so viele seiner Kollegen, in Wien überstanden. Er hielt sich auch nach dem Krieg, als alle munter weiterproduzierten, zurück. 1950 ließ er sich mit seinem Star Hildegard Knef vom legendären Produzenten Pommer in einen Skandalfilm hineinreißen: "Die Sünderin", der die Knef als Maler-Modell auch mal nackt zeigte. Die Presse der Restauration, die zur Rehabilitierung alter Nazis schwieg, ereiferte sich.

Forst, gedemütigt, überwinterte und versuchte sich noch mit dem jungen Autor Simmel an Drehbüchern und verließ dann das Filmgeschäft. Allen Nostalgiesendungen des Fernsehens zur schönen, schrecklichen Ufa-Zeit blieb er fern. Kein Team hat ihn wieder gefilmt. Es blieben von ihm aber im Reißbrett der Gefühlsverwirrungen Komödien zurück, deren Schlagfertigkeit, Tempo und Zuneigung zum Scheitern hochfliegender Träume zu entdecken sind. Willi Forst, Charmeur ohne Anflug von Unterwürfigkeit, das wiegt als Epitaph für einen Regisseur aus seiner Zeit schon schwer.

Vielleicht zu schwer für diesen leichten Herrn.


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