Erleuchtung garantiert

Deutschland 1998/1999 Spielfilm

Erleuchtung garantiert

Doris Dörrie erzählt von einem Abenteuerurlaub mit spirituellen Akzenten



Rainer Gansera, epd Film, Nr. 2, 02.02.2000

Das Komödiantische ist Uwe Ochsenknechts Element. Vor allem unter Doris Dörries Regie gewinnt sein jungenhafter Witz anrührend-komische Momente und wird mit gelassener Souveränität ausgespielt. Seine liebenswerte Trotteligkeit, sein naiv-munteres Drauflos verleiht "Erleuchtung garantiert" spielerischen Charme. Allerdings nur streckenweise. Denn die Geschichte von zwei Männern mittleren Alters aus München, die sich auf der Flucht vor ihren Lebenskrisen im Chaos Tokyos verlaufen und in der strengen Disziplin eines japanischen Zen-Klosters wiederfinden, kommt in ihrer Konstruiertheit oft nur mühsam voran.

Uwe (Uwe Ochsenknecht) und Gustav (Gustav-Peter Wöhler) sind Brüder. Gustav ist Feng-Shui-Experte, d.h. er weiß wie man Möbel in den Energiefeldern einer Wohnung richtig anordnet. Er lebt mit seiner Frau in einer kinder- und leidenschaftslosen Ehe und wird später dahingehend erleuchtet, dass er sein Schwulsein entdeckt. Er hat ein Meditationskissen und fährt mit einem Mini-Rechen durch den Sand seines Mini-Zen-Gartens, während seine Frau in der schicken Wohnung verzweifelt nach Putzmöglichkeiten sucht. Schon lange plant er einmal ein japanisches Zen-Kloster zu besuchen. Bruder Uwe hat Frau und Kinder und einen Job als Verkäufer von Einbauküchen. Er ist der burschikose, nicht sehr einfühlsame Typ der, wenn er nach Hause kommt, vor allem eins will: keinen Stress. Seiner Frau ist alles zuviel, sie bestellt die Möbelpacker und verschwindet mit den Kindern. Uwe lässt sich von seinem Bruder trösten, betrinkt sich und benutzt Gustavs Mini-Zen-Garten als Aschenbecher (der amüsanteste Gag des Film). Er beschließt spontan, Gustav bei seiner Japanreise zu begleiten. Bevor sie das Kloster erreichen, verlaufen sie sich in Tokyo. Sie finden nicht ins Hotel zurück, verlieren Pässe, Kreditkarten, müssen wie Penner nächtigen (der unglaubwürdigste Teil des Films). Schließlich gelangen sie ins Kloster, wo die Szenen allzu fragmentarisch sind, um in die Klosteratmosphäre und Lernprozesse der Helden richtig einsteigen zu können. Eine schöne Pointe ist, dass Uwe, der mit Meditation und Buddhismus zuerst gar nichts am Hut hat, sich viel besser ins Klosterleben einfügt als sein auf buddhistische Esoterik geeichter Bruder.


Obwohl die Helden durch heftige existentielle Erschütterungen hindurchgehen, bleibt die Inszenierung oft in mutloser Distanz zu ihnen und beläßt den Fernost-Trip, der wesentlich auch eine innere Reise sein soll, in blasser Fernsehspiel-Harmlosigkeit. Abenteuer-Urlaub mit spirituellen Akzenten. Dabei ist der Beginn vielversprechend. Die Laternen beim St.-Martins-Zug schaukeln in der Dämmerung. Erleuchtete Kinderaugen, Märchenzauber huscht vorüber. Die Kamera steigt ins Geschehen ein, gewinnt aus der Nähe eigenwillige Bilder. Um einen "schnellen und ganz freien Film" zu machen, hat Doris Dörrie mit einer Digitalvideokamera, geringstem technischen Aufwand und kleinem Team gedreht. Aus der größeren Beweglichkeit an den Schauplätzen, größerer Nähe zu den Darstellern sollten sich auch Möglichkeiten größerer Direktheit und Spontaneität eröffnen. Vor allem zu Beginn des Films ist das auch so. Mit der Zeit aber kippt das Verfahren um in ästhetische Beliebigkeit: schwankend zwischen Fernsehspielroutine und einem touristisch-oberflächlichen Blick auf die Schauplätze. In "Bin ich schön"? hat Doris Dörrie zwar mit einem "riesigen, schwerfälligen Apparat" drehen müssen, aber sie hat doch insgesamt viel eindrucksvoller die Risse und Abgründe in ihren Figuren sichtbar machen können.

Dörries Szenarien haben als Ausgangspunkt immer eingefahrene Lebensmuster und abgestorbene Beziehungen in Middle-Class-Milieus. Von schicksalhaften Erschütterungen aufgeschreckt, erinnern sich ihre Protagonisten an verschüttete Sehnsüchte nach Leidenschaftlichkeit, Glück, Lebensfülle. Irrungen, Wirrungen und Suchbewegungen werden dann in einer Mischung aus einfühlender Anteilnahme und ironischer Distanz nachgezeichnet. In dessen Zentrum steht die zenbuddhistische Anweisung in der Gegenwart zu leben, präsent zu sein, nicht "im Gestern und Morgen" - das heißt in lastenden Erinnerungen und ängstlichen Erwartungen - das Heute zu versäumen. Man gewinnt den Eindruck, dass Doris Dörrie hier eigene spirituelle Erfahrungen umkreist, die wohl nachhaltiger und tiefer waren, als sie es darzustellen wagt. Jedenfalls ist die Versuchsanordnung der Films zu harmlos, und die Bilder gewinnen nur selten eindringliche Präsenz.

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