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Nach einem Roman von Maxim Gorki erzählt der Film von einer Urlaubsgesellschaft im zaristischen Russland des Jahres 1904, die sich durch endlose Konflikte und Auseinandersetzungen zermürbt. Und obwohl sie sich fortwährend den Realitäten verschließen, schwant den bourgeoisen Figuren allmählich, dass ein gesellschaftlicher Umbruch bevorsteht – und dass sie selbst für die "neue Zeit" danach keinerlei Wert besitzen.
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Peter Steins legendäre Inszenierung des 1904 in St. Petersburg uraufgeführten Schwanengesangs großbürgerlicher Dekadenz, die am 22. Dezember 1974 an der Berliner Schaubühne am Halleschen Ufer Premiere feierte, auf die große Leinwand zu bringen, war ein enormes Wagnis der jungen Produzentin Regina Ziegler: „Alle haben mich damals für verrückt erklärt.“ Ist Peter Steins Film doch keine statische Dokumentation eines bis heute kultig-verehrten Theaterereignisses, sondern ein Spielfilm, gedreht Mitte 1975 vor allem auf der Berliner Pfaueninsel. Und damit im unmittelbaren Grenzgebiet zur DDR, in der der am 29. Januar 1976 im Berliner Kudamm-Kino Cinema Paris uraufgeführte und am 6. Februar 1976 bundesweit gestartete Film ab März 1977 in ausgewählten Studio-Kinos der Bezirksfilmdirektionen gezeigt wurde.
„Das ist ein Film über Schauspieler, denn nur sie können unsere Geschichte erzählen“: Zusammen mit seinem Chefdramaturgen Botho Strauß ist Peter Stein in der originalen Bühnenbesetzung ein ungemein dichter Film gelungen, der beim Kinobesucher geradezu Betroffenheit auslöst. Und dass Mitte der hektischen 1970er Jahre, als beim Publikum ganz andere Probleme auf der Agenda standen als die Sorgen russischer Intellektueller und Finanzmagnaten in der ländlichen Sommerfrische kurz nach der Jahrhundertwende. Dass uns Gorkis Figuren, ihre sich sinnlos im Kreis drehenden Gespräche, ihr schon provozierend trister Müßiggang, hier nicht wie obsolete Märchengestalten einer fernen, fremden Welt erscheinen, ist sicherlich das Verdienst eines großartigen Ensembles um die herausragende Edith Clever.
Die bundesdeutsche Kritik hat „Sommergäste“ vor allem als ästhetisches Kunst-Ereignis gefeiert wie zwei Jahre zuvor das Birkenwäldchen auf der Bühne Karl-Ernst Herrmanns. Von „filmisch-kraftvoll eingefangenen Landschaften“ war die Rede bei Eckhart Schmidt („Deutsche Zeitung“ vom 23. Januar 1976), von „animalischer Faszination, die keine Sprache braucht, um sprechend zu sein“ bei Wilfried Wiegand in der „FAZ“ vom 31. Januar 1976. Überschwänglich Berlins „Stimme der Kritik“, Friedrich Luft, in der „Welt“ vom 2. Februar 1976: „Wer Augen hat zu sehen wird eine aufregendere Menschenlandschaft auf einer Leinwand nicht finden können.“ Die DDR-Rezensenten setzten dagegen vor allem inhaltliche Schwerpunkte: „Die brutale Inanspruchnahme des Rechtes der Starken und Finanzkräftigen, die tiefe Unzufriedenheit mit einer parasitären Umwelt, die wachsende Überzeugung von der Notwendigkeit aktiven Einsatzes, die Gorki seinen Figuren mitgab, wurde in Beziehung gebracht zu gesellschaftlichen Gegebenheiten der bürgerlichen Gegenwart“ schrieb Wolfgang Schuch im Programmblatt 5/77 des DDR-Filmverleihs Progress. Und bei Fred Gehler heißt es in seiner Kritik in der DDR-Wochenzeitung „Sonntag“ (vom 24. April 1977): „Aber nicht allein die erzählerischen und darstellerischen Mittel erscheinen mir zeitgemäß. Die Betroffenheit, die von den ‚Sommergästen‘ ausgeht, ist die des Sujets. Die Konfrontation von Saturiertheit und Unruhe, Lebensferne und -aktivität, Provinzialismus und ‚Welt‘ ist nicht allein eine Problematik der Gorkischen Datschniki.“
Pitt Herrmann